Vira­ler Tra­di­ti­ons­bruch: Lebens­kraft oder Plötz­lich­keit?

von Matthias Fritz

Vira­ler Tra­di­ti­ons­bruch: Lebens­kraft oder Plötz­lich­keit?

von Matthias Fritz

Es gibt Tage, da sit­ze ich am Abend da und irgend­wie scheint alles gefügt. Die­ser Sonn­tag war auch so. Naja, nicht gefügt, aber als hät­te jemand einen Faden durch den Tag gespon­nen.

Mor­gens übt Jesus im Evan­ge­li­um (Mt 5,17 – 37) noch den Auf­stand. „Ihr habt gehört…“ – „Euch ist gesagt wor­den…“ – „Ich aber sage Euch…“ Mot­to des Man­nes aus Naza­reth: Die Regeln sind ok, aber nicht mensch­lich. Lasst mich die mal kurz über­spit­zen und Euch zei­gen, dass das unmensch­lich ist was da von Euch ver­langt wird. Seid Euch bewusst, dass Ihr immer­zu Tra­di­ti­ons­bre­cher sein müsst, wenn die­se Regeln für Euch gel­ten. Und gera­de das ist doch mensch­lich!

Danach die Bun­des­ver­samm­lung zur Wahl des neu­en Bun­des­prä­si­den­ten. Da hielt Nor­bert Lam­mert eine genia­le Rede über west­li­che Wer­te, mit Kri­tik an der natio­na­lis­ti­schen Abschot­tung man­cher Staa­ten und mit einer Erin­ne­rung an die Geschich­te, die unse­rer Mensch­heit sagt: Tut das nie wie­der! Aber für jeman­den wie mich, der sei­ne Stadt Aachen so sehr liebt, wur­de klar, auch unse­re viel­ge­sprie­se­ne Geschichts­träch­tig­keit hat Brü­che. Kai­ser­krö­nun­gen am lau­fen­den Band in Aachen? Ver­giss es! Die Geschich­te schreibt sich gera­de durch Brü­che fort. Auf-Brü­che, Tra­di­ti­ons-Brü­che, Ab-Brü­che… Ist gera­de das laut Jesus nicht mensch­lich?

Dann der Abend: „Fidd­ler on the Roof“ im Aache­ner Thea­ter. Nach 3,5 Stun­den ist das Dorf der Juden geräumt, jeder muss­te flie­hen. Nur der Fidd­ler bleibt am Ende. Der Garant der jid­di­schen Lebens­me­lo­die im Stück. Und er stirbt, wird ermor­det. Vor­her legt er aber sei­ne Spra­che, die Gei­ge ab und wird dann eis­kalt umge­bracht. Aber die Geschich­te ist (noch) nicht vor­bei. Ein klei­nes Mäd­chen taucht auf der Büh­ne auf, nimmt sich die Gei­ge und spielt die Melo­die des Fidd­ler – die jid­di­sche Lebens­me­lo­die. So grau­sam der Ab‑, Auf‑, Um-Bruch ist, es geht wei­ter. Die Mensch­lich­keit über­lebt, auch wenn die Tra­di­ti­on sich wan­delt und ein Mäd­chen jetzt die Geschich­te erzählt.

Das Leben lohnt sich, sagt mir mein Gefühl am Abend! Gera­de habe ich die unbän­di­ge Lust aus den Brü­chen zu leben. Falsch scheint es nicht zu sein!