Ver­geb­lich­keit

von Christian Schröder

Ver­geb­lich­keit

von Christian Schröder

Wenn der Herbst kommt, hebt sich mei­ne Lau­ne. Das pas­siert von allein, egal ob sie sowie­so schon gut oder total im Kel­ler ist. Denn im Herbst beginnt in den USA die Foot­ball-Sai­son. Ich ver­fol­ge den Sport schon sehr lan­ge, aber jedes Jahr freue ich mich, wenn es wie­der los­geht. Wie in allen Sport­ar­ten sind die Sta­di­en auch beim Foot­ball die­ses Jahr so gut wie leer. Beson­ders krass ist das in Los Ange­les. Dort ist ein gigan­ti­sches Sta­di­on gebaut wor­den. 70.000 Plät­ze, unfass­bar gro­ße Video­walls, das aller­neu­es­te an Unter­hal­tungs­tech­nik – und fast zwei­ein­halb Mil­li­ar­den Dol­lar Kos­ten. Die gro­ße Eröff­nungs­par­ty muss­te jetzt aus­fal­len. Als die Los Ange­les Rams zum Auf­takt gegen die Dal­las Cow­boys gewin­nen, kann ich die Rufe der Spie­ler auch ohne ver­stär­ken­de Mikros am Spiel­feld­rand hören. Jubel aus der Men­ge gibt es kei­nen. Weil kei­ne Men­ge da ist. Da sieht die­ses glän­zen­de, brand­neue Sta­di­on auf ein­mal aus wie umsonst gebaut. Für die­ses Spiel und die Live-Über­tra­gung hät­te auch ein nor­ma­ler Sport­platz ohne Tri­bü­nen und Video­wän­de gereicht.

Ver­geb­lich. Das ist das Wort, das mir ein­fällt, als ich die­ses Spiel sehe. So viel Auf­wand, so vie­le Pla­nun­gen, so eine lan­ge Bau­zeit. Und dann muss das Sta­di­on bei der Eröff­nung leer blei­ben. Auch wenn irgend­wann Zuschau­er hin­ein­dür­fen. Die­ser beson­de­re Moment des ers­ten Spiels im neu­en Sta­di­on kommt nicht zurück. Und ich glau­be, Ver­geb­lich­keit beschreibt die­ses Jahr gut. So Vie­les hät­te 2020 sein sol­len, in das viel Ener­gie geflos­sen sind. Rei­sen, Abschluss­par­ties, Hoch­zei­ten, Fir­men­grün­dun­gen, Umzü­ge. Man­ches lässt sich ver­schie­ben, Vie­les war ein­fach – ver­geb­lich. Und manch­mal sit­ze ich sogar am Ende eines ganz nor­ma­len Tages da und den­ke an das, was mir heu­te an die­sem kon­kre­ten Tag alles nicht gelun­gen ist. Was nicht fer­tig­ge­wor­den ist. Was ein­fach umsonst war. Und es fällt mir schwer, mir ein­zu­ge­ste­hen, dass manch­mal die Gele­gen­heit dazu ein­fach vor­bei ist. Nicht bei allem gibt’s die zwei­te Chan­ce. Manch­mal gibt es ein­fach nur ein aller­ers­tes Spiel. Mir hilft, wenn ich am Ende des Tages mir noch­mal sagen kann, was alles ver­geb­lich war, was nicht geklappt hat. Weil ich dann allem nicht so lan­ge nach­traue­re. Son­dern mich auf das nächs­te Spiel freu­en kann. Und dass es irgend­wann auch wie­der Zuschau­er gibt.

Foto von Andrea Gori­ni/Uns­plash