Ver-rück­te Welt

von Matthias Fritz

Ver-rück­te Welt

von Matthias Fritz

Eben saß ich noch neben einem bär­ti­gen blau-wei­ßen Ein­horn im Bus. Nor­ma­ler­wei­se neh­me ich am Mitt­woch­mor­gen immer den Bus. Die 13B in Rich­tung Ehren­mal. Denn am Mitt­woch ist um 8 Uhr Schul­mes­se. In der Regel tref­fe ich im Bus aber auf ver­schla­fe­ne Schü­ler und Stu­den­ten, gelang­weil­te Men­schen auf dem Weg zur Arbeit, Musik aus Kopf­hö­rern, Smart­phone­sym­bio­sen und Per­so­nen auf dem Weg zum Bahn­hof.

Heu­te Mor­gen war alles irgend­wie anders. Ich hat­te mei­nen Weck­mann in der Hand und war noch in Pre­digt­ge­dan­ken zum kom­men­den Sonn­tag, als eine Kat­ze mei­nen Weg streif­te. Schwarz und groß. Aller­dings fast 1,80. Zuerst sah ich sie nur von hin­ten und fand ihre Ohren in der blon­den Mäh­ne etwas merk­wür­dig. Und erst bei den Schnurr­haa­ren im wei­ßen Gesicht mach­te es „klick“. Heu­te ist nicht nur St. Mar­tin – im Rhein­land dreht sich ab heu­te die Welt etwas anders. Kar­ne­val!

Ich gebe es ger­ne zu: Ich bin ein Kar­ne­vals­flücht­ling. Das liegt am Alko­hol, an der Jah­res­zeit, an der Laut­stär­ke und weil ich nicht von 0 auf 100 auf lus­tig swit­chen kann. In dem Punkt bin ich kein (!!!) Rhein­län­der!

Aber das war noch nicht alles! Im Bus saß ich plötz­lich neben dem oben erwähn­ten bär­ti­gen blau-wei­ßen Ein­horn. Vor dem Haupt­bahn­hof rauch­ten zwei Mexi­ka­ner in Pon­cho und Stroh­hut. An einer Hal­te­stel­le stand eine klei­ne, etwa sie­ben Jah­re alte Prin­zes­sin im rosa Kleid und mit Zau­ber­stab. Auf der Wil­helms­stra­ße wan­der­te Oli­via New­ton John über den Bür­ger­steig, als wäre sie gera­de ihrem Musik­vi­deo zu „Phy­si­cal“ ent­flo­hen. Ihre pin­ke Plas­tik­leg­gings und das neon­gel­be Ober­teil wur­den durch eine blon­de Perü­cke ergänzt. Und auf dem Fuß­weg von der Hal­te­stel­le zur Schu­le lach­te ein Matro­se aus dem Fens­ter, der sich gera­de die Haa­re mit Glit­zer styl­te.

Aus der Ver­wun­de­rung über die schwarz-blon­de Kat­ze und alle ande­ren ist Freu­de gewor­den. Ich fin­de es ganz geni­al, dass Men­schen die Welt ein­fach mal ver-rücken, sie umdre­hen und mit ande­ren Augen sehen. Und etwas trau­rig den­ke ich mir: Wo sind die Typen, die das auch mal in unse­rer Kir­che tun? Die, die ein­fach mal alles etwas ver-rücken und die Welt, wenn auch nur für einen Tag oder eine Ses­si­on, mit ande­ren Augen sehen? So eine Kir­che wün­sche ich mir auch. Ich bin da viel­leicht nicht für geeig­net, aber ich wün­sche mir ande­re, die das kön­nen! Ich wür­de Euch den Weg dafür ger­ne berei­ten.

Foto: yosuke muroya: Uni­corn (CC BY-NC 2.0)