Sen­de­Fre­quenz

von Gastbeitrag

Sen­de­Fre­quenz

von Gastbeitrag

Ich habe da so eine Whats­App-Grup­pe – wie die meis­ten jun­gen Erwach­se­nen heut­zu­ta­ge – genau­ge­nom­men habe ich 53 (mehr oder weni­ger akti­ve), wobei ich mir die­ser gewal­ti­gen Sum­me bis­her gar nicht bewusst war. Erst für die­sen Text habe ich mir die Mühe gemacht, sie ein­mal zu zäh­len. Nun stel­le ich aber die Behaup­tung in den Raum, dass die­se eine Grup­pe, nicht nur in Abgren­zung zu den 52, etwas ganz Beson­de­res ist.

Wir sind vier Erwach­se­ne Anfang 30 und uns ver­bin­det etwas – was ernüch­ternd gewöhn­lich ist. Grup­pen­mit­glie­der haben es so an sich, dass sie etwas Ver­bin­den­des auf­wei­sen – ein gemein­sa­mes Inter­es­se, Enga­ge­ment, über­ein­stim­men­de Ansich­ten, Gene oder zumin­dest ein gemein­schaft­li­ches Ereig­nis wie einen Geburts­tag, einen Jung­ge­sel­len­ab­schied, zu dem man ein­ge­la­den ist. Irgend­et­was muss zumin­dest zu Beginn oder final ver­bin­den, und somit eine Iden­ti­fi­ka­ti­on mit die­ser Grup­pe ermög­li­chen. Anlass mei­nes Tex­tes ist nun aber das Tren­nen­de in unse­rer Grup­pe:

Plötz­lich war da die­ser für mich unbe­kann­te Begriff „Raum­rau­schen“. Erst fiel er neben­bei in die­ser Whats­App-Grup­pe, dann wäh­rend eines Sky­pe-Mee­tings und war nun, in den ver­gan­ge­nen Tagen, wäh­rend unse­rer gegen­sei­ti­gen Besuchs­tour (Mainz – Aachen – Trier — Köln) aus­ge­spro­chen prä­sent. Zwei von uns sind näm­lich aktiv in die­sem Blog – ich bis­her nicht. Aber die Gesprä­che weck­ten mei­ne Neu­gier­de und fas­zi­nie­ren mich zuneh­mend. Denn die­se Bei­trä­ge sind nicht ein­fach Tex­te, die für sich ste­hen, sie lie­fern kei­ne vor­schnel­len Ant­wor­ten auf Fra­gen, die gestellt oder nicht gestellt wur­den. Sie beob­ach­ten das, was in einem All­tag der dich­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on häu­fig unter­geht.

Die Tex­te erschei­nen mir wie klei­ne Satel­li­ten, die Fre­quen­zen wahr­neh­men und auf­zeich­nen, die man gewöhn­lich gar nicht auf­nimmt. Sie geben die­se Signa­le wei­ter, indem sie mich dazu brin­gen, im All­tag ste­hen­zu­blei­ben und das Hin­ter­grund­rau­schen wahr­zu­neh­me. Ich habe fest­ge­stellt, dass mei­ne Freun­de also zu Beob­ach­tern gewor­den sind, die sich sowie ihre Umwelt sen­si­bel wahr- und Fre­quen­zen auf­neh­men, die häu­fig außer­halb mei­nes Sin­nes­ein­drucks lie­gen. „Raum­rau­schen“ hat etwas in mir getrig­gert. Ich möch­te eben­falls ler­nen bes­ser hin­zu­schau­en, auf­merk­sa­mer zuzu­hö­ren, inten­si­ver wahr­zu­neh­men und die­se Sicht auf die Welt zu tei­len.

Das kön­nen mei­ne Freun­de, die Mit­glie­der die­ser „beson­de­ren“ Grup­pe, näm­lich aus­ge­spro­chen gut, wes­we­gen Tren­nen­des und Unbe­kann­tes dazu führt, dass ich Neu­es ken­nen­ler­nen darf, es ermög­licht Wachs­tum und Rei­fe. So sind unse­re Begeg­nun­gen immer auch wie klei­ne Fort­bil­dun­gen, die mich dazu ein­la­den, über mich hin­aus­zu­ge­hen und mich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, wobei ich mich gleich­zei­tig völ­lig akzep­tiert füh­le — so wie ich bin.

Ver­bun­den hat uns in den ver­gan­ge­nen Jah­ren eine Freund­schaft, in der jeder auf­rich­tig an dem ande­ren inter­es­siert ist, sich herz­lich am Glück und Gelin­gen des ande­ren freut, aber auch um schwie­ri­ge Situa­tio­nen weiß und sehr ehr­li­che Gesprä­che über das eige­ne Leben und den Glau­ben. Ich wün­sche mir auch für ande­re Gemein­schaf­ten (für unse­re Gesell­schaft, unse­re Kir­che), dass ein sol­ches Mit­ge­hen viel­fach mög­lich wird und dass Fremd­heit sowie Anders­ar­tig­keit zuneh­mend als Chan­ce zum gegen­sei­ti­gen Ler­nen und zum Wach­sen wahr­ge­nom­men wer­den.

Ich den­ke, wir brau­chen den Mut zu mehr ehr­li­chen, auf­rich­ti­gen Begeg­nun­gen!

Foto: Gil­les Rolland-Mon­net/Uns­plash