Perfektes Finnisch
von Angela Reinders
Perfektes Finnisch
von Angela Reinders
Anteeksi kuinka? Frei nach der Sendung mit der Maus: Das war Finnisch.
„Wie bitte?“, heißt das übersetzt. Berechtigte Frage: Warum jetzt Finnisch? Um es gleich vorwegzusagen: Ich spreche weder Finnisch noch verstehe ich etwas in dieser Sprache.
Schon von klein auf habe ich mich für Sprachen interessiert. Ich fand es faszinierend, Worte aufzuschnappen, wenn meine Familie Menschen aus anderen Ländern begegnete, Worte, die sich wiederholten und deren Bedeutung sich mir irgendwann erschloss. Bitte, danke, guten Tag.
Ab und zu war ich bei einer Gruppe dabei, die Lieder aus dem Büchlein „Die Mundorgel“ sang. Darin steht immer noch das Lied mit diesem leicht nervigen Anfang: „Hallelu, Hallelu, Hallelu, Halleluja …“, und darunter die Übersetzung von „preiset den Herrn“ in allen möglichen Sprachen. Kiittäkää häraa. Das war Finnisch.
Kaum auszudenken, was in einer solchen Sprache „bitte“, „danke“, „guten Tag“ wohl hieße. Völlig aufregend fand ich dann die Information, dass Finnisch nicht etwa mit den Sprachen der Nachbarländer verwandt ist, sondern mit Ungarisch. Ausgerechnet. Wie kommt sowas?
Irgendwann hörte ich Nachrichten im Radio, mehr so nebenbei. Es gab Neues vom Sport und die sensationelle Nachricht, dass Kimi Räikkönen (oder war es Mika Häkkinen?) ein Rennen gewonnen hatte, und zwar mit einem perfekten Finish. Ich war gerade so gedankenverloren, dass ich im ersten Moment dachte: Klar. Der ist doch auch Finne.
Viele weibliche Wesen in meiner Umgebung bekommen Herzchen in die Ohren, wenn Samu Haber von „Sunrise Avenue“ in deutschen Fernsehsendungen auftritt. Ein Finne, der mehr oder weniger gut die deutsche Sprache beherrscht, aber sie so spricht, als käme er mit seiner tiefen Stimme mitten aus einer geheimnisvollen Schneelandschaft.
Genauso tief sprachen vier junge Männer im Großraumabteil neben mir, in dem ich von der Schweiz aus auf der Heimfahrt war. Solche Fahrten mache ich am liebsten nachts, um keine Zeit zu verdaddeln, schlafen kann ich eigentlich überall. Wenn nicht gerade, wie in diesem Zug, um drei Uhr in Pforzheim ein schwer betrunkener junger Mann von seinen Freunden hineingeschleift worden wäre, nur um einen Rettungseinsatz auszulösen und uns in Stuttgart einen längeren Aufenthalt zu bescheren, bis der Krankenwagen da war.
Dem sonoren Klang der Stimmen der vier jungen Männer zuzuhören, die sich von dem lauten und drängenden Geschehen im Großraum hinter uns überhaupt nicht aus der Fassung bringen ließen, das beruhigte mich, irgendwann schlief ich doch wieder ein. Ich hatte sie vorher gefragt: Es war Finnisch.
Es gibt Dinge, die begegnen mir immer wieder und ziehen sich wie Spuren durch meine Erinnerungen. Finnisch, das finde ich genauso faszinierend, wie ich damit nichts damit anfangen kann.
Vielleicht ist das mit anderen Dingen auch so? Bei mir und anderen? Mit einem Menschen vielleicht, der mal in meinem Leben Spuren hinterlassen hat, der mich interessiert, aber der es zu mehr Bedeutung nicht gebracht hat, keine Freundin, kein Freund geworden ist, weil er oder sie mir letzten Endes doch völlig fremd bleibt?
Ob das noch etwas wird mit dem Menschen und mir? Oder vielleicht: mit dem Finnisch?
Foto: Ash Gerlach/Unsplash