Nostalgie
von Matthias Fritz
Nostalgie
von Matthias Fritz
Wie oft stecke ich doch immer wieder in der Vergangenheit fest? Der Satz, den ich am meisten hasse ist: Das war doch immer schon so!
Mir liegt dann immer auf der Zunge, dass nur immer schon so war, dass die Sonne auf- und untergegangen ist. Wir Menschen sind Perfektionisten der Nostalgie, der Nostalgisierung. Wir verpacken das gerne in einer Tradition. Dann wird es konserviert, wiederholbar, neu aufrufbar gemacht.
Dabei lerne ich immer wieder mit Brutalität, dass ALLES nicht so wiederholbar ist, wie wir es gerne hätten. Das einmalige Konzert, diese einmalige Berührung, das besondere Wort oder der faszinierende Geruch und Geschmack. Alles ist einmalig. Alles ist nicht wiederholbar.
Dennoch begegnen mir so häufig Menschen, die nach einer Wiederholung rufen. Ganz besonders schwer fällt mir das im Gottesdienst. Die Hochzeitsfeier ist so nicht mehr zu wiederholen und wird zum Hype stilisiert, die Weiheliturgie muss besonders feierlich und konservatorisch sein wie die Taufe des ersten Kindes. Oder auch die sonntägliche Messe. Verfallen wir gerade hier in Rigorismus und Nostalgie, weil wir diese Feier schützen, möglichst originalgetreu wiederholen oder uns an ein einmaliges Erlebnis erinnern wollen?
In meinem Priester-sein erkenne ich für mich ein Beispiel warum die Nostalgie nicht funktioniert: Paulus schreibt im Galatherbrief 3,27: „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt.“ Dieser Satz begleitet mich gerade in der Frage von Nostalgie im Gottesdienst. Denn es ist ein besonderer und zugleich merk-würdiger Moment die Gewänder anzuziehen und damit in eine andere Rolle zu schlüpfen. Ich ziehe die „Rolle“ Christi an. Zumindest soll dieser Christus dann durch die „Verkleidung“ hervortreten können. Aber ich bleibe doch sehr deutlich mit in dieser Rolle drin. Dieser Christus nimmt mich nicht ein, füllt mich nicht aus, er durchwirkt mich nicht. Sondern es ist etwas Geschwisterliches, wobei ich mich nur zu einem bestimmten Maß zurücknehmen kann. Es ist ein nebeneinander-sein, miteinander-sein und kein dahinter verstecken, ein einander-anziehen. Dann werde ich eins mit diesem Gott und er nimmt mich nicht nur in Besitz und ich werde sein Kanal. Wir verbinden uns. Gerade dieser Moment ist nicht machbar. Gerade dieser Moment ist nicht wiederholbar. Dieser Moment ist jedes Mal neu. Von hier aus gesehen, hat Nostalgie nichts mehr mit unserem Glauben zu tun und der verhasste Satz, dass das schon immer so war, ist für mich eine große Lüge, eine Illusion.
Foto: Sascha Kohlmann: Kaugummiautomat (CC BY-SA 2.0), Retusche