Nie wie­der! Nie­mals wie­der!

von Jonas Zechner

Nie wie­der! Nie­mals wie­der!

von Jonas Zechner

Som­mer 2015.

Zusam­men mit eini­gen jugend­pas­to­ra­len Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen waren wir auf Vor­tour für den Welt­ju­gend­tag in Kra­kau. Wir wur­den über­all herz­lich will­kom­men gehei­ßen und mit offe­nen Armen emp­fan­gen. Es war uns damals ein wich­ti­ges Anlie­gen, neben den zen­tra­len Orten des Welt­ju­gend­ta­ges auch Oświęcim/Auschwitz auf­zu­su­chen.

Nahe bei den Lagern ist ein Klos­ter der Fran­zis­ka­ner-Mino­ri­ten.
Dort befin­det sich unter­halb der Kir­che, hin­ter einer schwe­ren Tür, eine sehr ein­drucks­vol­le Aus­stel­lung. Es han­delt sich um den Bil­der­zy­klus „Kli­schees der Erin­ne­rung. Laby­rin­the“ des ehe­ma­li­gen Ausch­witz Häft­lings Mari­an Kołod­ziej. (Zu fin­den unter: http://wystawa.powiat.oswiecim.pl/)

Die Expo­si­ti­on ist eine künst­le­ri­sche Visi­on der KZ-Höl­le. Sie traf uns alle damals bis ins Mark.

Kołod­ziej mal­te rie­si­ge dunk­le ‘See­len­bil­der’. Nur mit­tels ein­zel­ner Stri­che. Jeder Strich steht für einen Toten, den er im Lager sehen muss­te. Rie­si­ge Bil­der aus tau­sen­den und aber tau­sen­den Stri­chen — über­all Todes­frat­zen. Bil­der, die die Höl­le zei­gen. Bil­der, die mir den Magen zuschnür­ten und mich tief betrof­fen mach­ten. Men­schen­ge­mach­ter Tod, unbe­schreib­li­ches Leid, Depres­si­on und Trau­ma­ta.

Am 14. Juni 1940 kam Mari­an Kołod­ziej mit dem ers­ten Häft­lings­trans­port nach Ausch­witz und erhielt die Num­mer 432. Dort über­leb­te er bis Ende 1944, bis er im Rah­men der Eva­ku­ie­rung nach Buchen­wald ver­legt wur­de. Im Febru­ar 1945 wur­de er nach Maut­hau­sen gebracht und am 6. Mai 1945 von der III. US-Armee befreit.

1992 erlitt Kołod­ziej einen Schlag­an­fall und war halb­sei­tig gelähmt. Nach fast fünf­zig Jah­ren des Schwei­gens griff er auf die dra­ma­ti­schen Erin­ne­run­gen aus der Jugend zurück, auf die Zeit, die er in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern ver­brach­te, und schuf „Kli­schees der Erin­ne­rung. Laby­rin­the“.

Vor kur­zem jähr­te sich der 75. Jah­res­tag der Befrei­ung des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Ausch­witz durch die Rote Armee. Um die­sen Tag her­um fan­den vie­len Gedenk­ver­an­stal­tun­gen, Erin­ne­rungs­ver­an­stal­tun­gen und Soli­da­ri­täts­be­kun­dun­gen statt.

Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er warn­te in sei­ner bemer­kens­wer­ten Rede in der Gedenk­stät­te Yad Vas­hem vor “bösen Geis­tern”, die heu­te in neu­en Gewän­dern wie­der zu einer Gefahr wer­den.

“Sie prä­sen­tie­ren ihr anti­se­mi­ti­sches, ihr völ­ki­sches, ihr auto­ri­tä­res Den­ken als Ant­wort für die Zukunft, als neue Lösung für die Pro­ble­me unse­rer Zeit… Es sind nicht die­sel­ben Täter. Aber es ist das­sel­be Böse. Und es bleibt die eine Ant­wort: Nie wie­der! Nie­mals wie­der!”

In Deutsch­land erstar­ken wie­der extre­mis­ti­sche Kräf­te. Ihre Stim­men sind laut, und sie ver­schie­ben Dis­kur­se.
Sie fin­den wie­der Gehör, auf der Stra­ße und in Par­la­men­ten.

Mit den Bil­dern von Kołod­ziej vor mei­nem geis­ti­gen Auge und den Gefüh­len von Ohn­macht und Wut weiß ich, dass es Zeit ist, sich klar zu posi­tio­nie­ren!

Für eine frei­heit­li­che Gesell­schaft, in der ein demo­kra­ti­scher Grund­kon­sens besteht, in der Hass und Gewalt kei­ne Rol­le spie­len.

Jonas Zech­ner

Foto: Maxim Hop­man/Uns­plash