Mit allem rechnen
von Gastbeitrag
Mit allem rechnen
von Gastbeitrag
Ungeduldig war ich, das gebe ich zu. Zu einer ungelösten Frage brauchte ich sehr schnell eine Entscheidung. Ohne seine Zustimmung kam ich nicht weiter bei dem, was ich da gerade bearbeitete. Telefonisch erreichte ich ihn nicht und sprach ihm auf die Mailbox, zähneknirschend, und ich machte es dringend und drückte ein wenig auf die Tränendrüse.
Seinen Rückruf abwarten? Dazu war ich tatsächlich zu ungeduldig. Zwei Stunden später versuchte ich es noch einmal. Das kennt man: Die gleiche Taktik wie vor einem Aufzug, wenn man immer und immer wieder auf den Knopf drückt, so, als käme er dadurch schneller.
Doch siehe da, ich erreichte ihn tatsächlich am anderen Ende, er war gerade nach einem Termin wieder ansprechbar. Was ein Glück. Wir konnten besprechen, was zu klären war, das löste meinen Knoten am Arbeitsplatz.
Wir wechselten natürlich auch noch einige persönliche Worte, denn wir hatten uns länger nicht gehört. Es war ein fröhliches und freundliches Gespräch, ihm ging es gut und mir auch.
Zehn Minuten später klingelte mein Telefon. Er war dran. „Du hast mich angerufen. Hier bin ich.“ Ich war perplex: „Ja, wir haben doch eben schon miteinander telefoniert.“ – „Richtig“, antwortete er. „Aber du hattest mir auf meine Mailbox gesprochen.“ Das überraschte mich. „Jaja“, stammelte ich. „Wir hatten ja doch alles besprochen.“ Er vergewisserte sich: „Aha. Dann hat sich das also erledigt?“ Ich bestätigte das und wir verabschiedeten uns am Telefon, nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag, kurz hintereinander.
Erst nach einer Weile wurde mir klar, was das bedeutete: Er hatte mit mir gesprochen, mich zwar in meinem Anliegen dringend, aber doch sonst tiefenentspannt erlebt. Als er seine Mailbox abhörte, muss er meine Dringlichkeit und meinen inneren Druck gehört haben. Er hat dann nicht mehr die Uhrzeiten verglichen. Das heißt, er konnte sich vorstellen, dass sich innerhalb der zehn Minuten, die zwischen unseren Telefonaten lag, irgendetwas bei mir komplett verändert hätte.
Dass zehn Minuten reichen, um nach einem fröhlichen und freundlichen Gespräch nach einem Häufchen Elend zu klingen, das dringend einen Rückruf notwendig macht.
Und ich fragte mich: Wäre das so bei mir, dass auch ich damit rechne? Dass ich spontan umdenken kann und mir bewusst mache: Ja, manchmal reichen genau die zehn Minuten? Würde ich mit allem rechnen und wäre neu und anders für die anderen da?
Text: Angela Reinders