Mein Sound­track im Advent

von Susanne Moll

Mein Sound­track im Advent

von Susanne Moll

Frü­her war ich in Sachen Musik im Advent, wenn ich sie sel­ber beein­flus­sen konn­te, total puris­tisch. Da durf­te in kei­nem Lied schon von Weih­nach­ten die Rede sein, und wehe, dass Kind wur­de dar­in schon gebo­ren. Das ging gar nicht. Die vier Wochen Vor­freu­de und Stau­nen, dass Gott Mensch wird, hat­ten ganz klar ihre eige­nen Lie­der. Von „Macht hoch die Tür“ über „Kün­det allen in der Not“ bis zum latei­ni­schen „Rora­te Cali“. Und ame­ri­ka­ni­sche Weih­nachts­kitsch­lie­der gin­gen zu kei­ner Zeit, auch nicht an oder nach Weih­nach­ten: Die hat­ten schließ­lich nur was mit dem Drum­rum zutun und nichts mit dem Weih­nachts­ge­sche­hen sel­ber. Ziem­lich ein­fa­che, kla­re Sache.

Damals hät­te ich nicht gedacht, dass sich mei­ne Musik­vor­lie­be im Advent ein­mal ändern wür­de. Hat sie aber, und zwar um 180 Grad. Klar: Die genann­ten Advents­lie­der blie­ben auf der Lieb­lings­play­list. Soviel Treue muss sein. Aber, zu mei­ner eige­nen gro­ßen Über­ra­schung, wur­de ich ein gro­ßer Fan fast des gesam­ten musi­ka­li­schen ame­ri­ka­ni­schen Weih­nachts­zir­kus’. Und zwar pas­sier­te das, als ich ein­mal in Sam­bia, im Süden von Zen­tral­afri­ka, Weih­nach­ten fei­ern durf­te. Einer­seits wur­de in vie­len Momen­ten deut­lich, dass die Weih­nachts­bot­schaft was mit dem Leben der teil­wei­se sehr armen Men­schen zutun hat­te. Und dass Kon­sum kei­ne gro­ße Rol­le spiel­te, die Weih­nachts­got­tes­diens­te um so mehr. Was Lie­der und Deko anging, fuh­ren die Leu­te aber gleich­zei­tig total auf den ame­ri­ka­ni­schen Weih­nachts­kitsch ab. Plas­tik­weih­nachts­bäu­me mit Lamet­ta und Lich­tern in allen Far­ben, und „Rudolph, the red nosed Reinde­er” und sei­ne Freun­de tön­ten aus vie­len Laut­spre­chern der Gegend. Ein per­sön­li­ches High­light war eine Fahrt am Tag vor Hei­lig­abend mit einem Pick­Up in ein klei­nes Dorf, in dem vie­le Wit­wen wohn­ten, die sehr wenig zum Leben hat­ten. Dort­hin brach­te der Pfar­rer eini­ge Säcke Mais­mehl für das Grund­nah­rungs­mit­tel. Und wäh­rend der Fahrt hör­ten wir neben den übli­chen ame­ri­ka­ni­schen Klas­si­kern bei ziem­lich brül­len­der Hit­ze auch „Suzy Snow­fla­ke“, das mich gleich dop­pelt amü­sier­te. Und plötz­lich ent­wi­ckel­te die­se Mischung für mich sogar rich­tig Charme, zumal bei drei­ßig Grad im Schat­ten ohne Schat­ten: Die Weih­nachts­bot­schaft inhalt­lich zu erle­ben und zu fei­ern UND „Holy Night“ und „White Christ­mas“ im Advent hören.
Seit­dem lieb ich all die­se Lie­der. Und nicht nur, weil sie mich an Sam­bia erin­nern. Ich hab gelernt, dass Musik nicht 1:1 inhalt­lich pas­sen muss, um trotz­dem ein Sound­track sein zu kön­nen, der für einen per­sön­lich stimmt.

Der dies­jäh­ri­ge Advent ist nun nach Jah­ren der ers­te, wo ich, wenn ich die Musik sel­ber bestim­men kann, weder die klas­si­schen Advents­lie­der noch das inzwi­schen ja auch schon klas­si­sche nicht­re­li­giö­se Weih­nachts­re­per­toire hören mag. An bei­dem hab ich mich über­satt gehört. Ich hab häu­fi­ger kei­ne Musik an, oder suche nach Lie­dern, die für mich was mit der War­te­zeit auf Weih­nach­ten zutun haben, ohne das direkt zu the­ma­ti­sie­ren. Da tau­chen dann unter ande­rem alte Songs wie „I Still Haven’t Found, What I’m Loo­king For“ von U2 auf, für die Sehn­sucht, die bei allem Glück die­ser Erde ein Stück offen bleibt. Und, noch älter und sehr pas­send: „Money Can’t Buy Me Love“ von den Beat­les.

Mal sehen, wo mich mein Advents-Sound­track noch hin­füh­ren wird. Jeden­falls immer auch in Rich­tung des uner­hör­ten Fes­tes am Ende die­ser vier Wochen: Gott wird Mensch und offen­bart sich in einem Kind in sehr ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen.