In allem gleich, außer…

von Matthias Fritz

In allem gleich, außer…

von Matthias Fritz

Da war es wie­der: In allem uns gleich, außer der Sün­de! Die Lesung am Sonn­tag sag­te es noch kom­pli­zier­ter: Wir haben ja nicht einen Hohen­pries­ter, der nicht mit­füh­len könn­te mit unse­rer Schwä­che, son­dern einen, der in allem wie wir in Ver­su­chung geführt wor­den ist, aber nicht gesün­digt hat (Hebrä­er­brief Kapi­tel 4, Vers 15).

Da sträubt es sich immer in mir. Seit Jahr­hun­der­ten beten Men­schen die­sen Satz in ihren Glau­bens­be­kennt­nis­sen und hat jemand die­sen Satz schon mal in Fra­ge gestellt? Wie kann man ohne Sün­de sein?

Mir fal­len direkt Momen­te aus dem Leben von Jesus ein, wo er sich in mei­nen Augen ver­sün­digt hat: Der Raus­wurf der Händ­ler aus dem Tem­pel war kei­ne freund­li­che Sache; die blut­flüs­si­ge Frau, die er in der Men­ge anfährt; die Anwei­sung an sei­ne Freun­de den Staub von den Füßen zu schüt­teln und wei­ter­zu­zie­hen, wenn man sie nicht hören will. Oder bin ich viel­leicht einem Pazi­fis­ten-Jesus auf­ge­ses­sen, der mir zu lieb und kusche­lig ist?

Ja, das wird es auch sein. Aber ich habe noch­mal neu ent­deckt, dass es nicht um einen Kuschel­je­sus geht. Denn der Brief an die Hebrä­er macht klar, dass er „in allem uns gleich“ wur­de – außer der Sün­de. Damit hat er gelacht, geflucht, geweint, gebrüllt, geläs­tert, getrickst und geliebt wie wir. Der Unter­schied muss dann dar­in lie­gen, was der Bibel­text und das Glau­bens­be­kennt­nis mit Sün­de mei­nen.

Hier geht es nicht um die mensch­li­che Moral bzw. Unmo­ral, da war Jesus wohl auch kein Meis­ter drin, auch wenn er gute Rat­schlä­ge und Ver­hal­tens­wei­sen dafür wei­ter­ge­ben konn­te. Es geht viel­mehr dar­um, ob Jesus auch die „Ursün­de“ began­gen hat – von Gott abzu­fal­len, sich von ihm zu tren­nen bzw. Gott aus dem eige­nen Leben aus­zu­klam­mern. Und dazu sagt der Brief in der Bibel und das fast 1600 Jah­re alte Bekennt­nis der Kir­che: Das hat Jesus nicht getan!

Er war als Got­tes Sohn auch Mensch, durch und durch, aber es gab in sei­nem Leben nie den Moment von Gott so ver­las­sen zu sein, dass er Gott aus sei­nem Leben aus­ge­klam­mert hat. Selbst in der Todes­nacht vor der Kreu­zi­gung ist sein Rin­gen mit Gott noch ein Zei­chen der Ver­bun­den­heit und sein Ver­las­sen­sein noch ein Zei­chen der Bezie­hung zwi­schen bei­den. Nie hat es den Moment gege­ben, wo Jesus sich von Gott getrennt wuss­te. Eben auch bis in den Tod – bis ans Kreuz. Auch da ist der Autor des Hebrä­er­brie­fes sich sicher: Hier haben Gott und Jesus noch zusam­men­ge­hal­ten und nichts kann sie tren­nen.

Und hier weiß ich genau. Dafür bin ich zu schwach. Weil ich Gott ver­ges­se, in Lebens­ent­schei­dun­gen nicht mit ein­schlie­ße, Din­ge ohne ihn klä­re und Fra­gen nicht an sei­nen Wor­ten und Zei­chen mes­sen las­sen will. Da fal­le ich ab und las­se Gott auch schon mal links lie­gen. Ob ich das wohl je ler­nen kann zu ändern?

Foto: Patri­cia Jek­ki/Uns­plash