Home-Office
von Mareile Mevihsen
Home-Office
von Mareile Mevihsen
Sein Home-Office ist oben und eine Telefonkonferenz jagt die nächste. Im Grunde genommen Programm von 08 – 17:00, auch wenn es Unterbrechungen gibt. Manchmal beneide ich ihn darum.
Mein Home-Office ist am Esstisch, mitten im Leben. Zwischen Resten vom Frühstück, Mal-Bastel-Knet-Playmobil-Gesellschaftsspielen. Hinter Blumenvase und Kerzenhalter. Mein Home-Office ist draußen in der Hängematte zwischen Geschwisterstreits, „Mama kannst du mal eben…“,„Ich muss zur Toilette“ und Sandkuchen gebührend bewundern. Mein Home-Office ist abends, wenn ich warte dass der Große einschläft und Texte schreibe zwischen den großen Fragen des Lebens, die ihm immer vor dem Schlafen einfallen. Warum die Indianer ausgerottet wurden, es Krieg gibt, warum es passieren kann dass Eltern sich nicht mehr lieben, was nach dem Sterben passiert oder wie Babys von Gott in den Bauch kommen.
Mein Home-Office läuft den ganzen Tag mit Arbeitsintervallen von zwanzig Minuten, wenn es gut läuft. Dazwischen koche ich (möglichst gesund), versuche dem Chaos, das vier Menschen und ein Hund Zuhause anrichten hinterher zu räumen, wasche, tröste, schlichte, höre zu, spiele, lese und und und. Das ist anstrengend. Das geht an die Nerven und an die Substanz. Und das Abschalten, das Rauskommen, der Ausgleich fehlt.
Die Realität, die viele viele Menschen, ob Mütter oder Väter, derzeit mit mir teilen. Und trotzdem lebe ich in absolutem Luxus. Dem zweier Arbeitgeber, denen diese Realität bewusst ist und die sich leisten können, das nicht mit Lohnabzug zu händeln. Einer großen Wohnung, die Platz bietet auszuweichen. Einem ebenso großen Garten mit zahlreichen Spielmöglichkeiten. Den Wald in fußläufiger Entfernung. Uns geht es gut.
Das erste, was ich gedacht habe, als die Krise kam, war: Was passiert jetzt in den Familien?
Die es eh schon schwer haben, die unter hohem Druck stehen, von Existenzängsten geplant sind. Die jetzt auf engem Raum miteinander leben müssen. Die, deren Kinder oft in unseren Jugendzentren auflaufen. Aber die sind gerade ja auch geschlossen. Diese Ausnahmesituation kann uns als Familien zusammenrücken oder zerbrechen lassen.
Wie sollen wir das schaffen gesellschaftlich? Virtuell da sein, zuhören, Mut machen – reicht das? Können wir das überhaupt auffangen? Oder müssen wir das aushalten?
Was hält noch, was trägt? Ich weiß es nicht.