Guter Hoffnung
von Mareile Mevihsen
Guter Hoffnung
von Mareile Mevihsen
Alles wird sich ändern. Dieser Satz ist auf der Hitliste der ungefragt erteilten Kommentare meiner letzten zehn Monate ganz weit vorne. Dicht gefolgt von “Ach, die Kilos nimmt man doch gerne zu”, “In deinem Zustand solltest du nicht …”, “Ach, das wird aber schwer für den Hund …” und so weiter. Hinzu kommen ungefragte Bauch-Grapscher, Smalltalk mit Wildfremden, die einen ansprechen, ob man ein Baby bekäme (meine Lieblingsantwort: Nein, das waren Bier und Fritten) und die Reduzierung auf den Zustand des Schwangerseins — auf einmal ist man nur noch Mutti, ohne überhaupt ein Kind zu haben. Wenn man es positiv betrachtet, bin ich noch nie so oft gefragt worden, wie es mir geht, pardon, “euch geht”.
Alles wird sich ändern. Dass dieses alles aber nicht erst beginnt, wenn man ein Kind in den Armen hält, sondern dann, wenn sich ein kleiner Teststreifen rosa färbt, das sagt einem keiner. Gerne hätte ich die Leute manchmal geschüttelt. Ihnen gesagt, dass ich immer noch ich selbst bin. Bei all den platten Klischees über Hormone gerne erwidert, dass es mir in meinem ganzen Leben noch nie so gut ging. Von wegen Stimmungslage und Empfindlichkeit und so. Und nach 42 Wochen war ich es dann wirklich leid, da bin ich ganz ehrlich. Und darüber sprechen, wie sich das anfühlt, das tut keine Schwangere. Weil ja von uns erwartet wird, dass wir freudestrahlend diesen “Zustand” leben. Und wenn wir doch was sagen, wir halt empfindlich sind. Oder unser Glück nicht zu schätzen wissen.
Und jetzt hat sich dann wohl alles geändert. Seit 10 Tagen ist da also ein kleiner Mensch, der mein Leben beeinflusst. Was sich nicht geändert hat, sind die gut gemeinten Ratschläge vom Rest der Welt. Ironie des Schicksals.
Warum also, habe ich mir das eigentlich angetan?
Ein Erklärungsversuch: Nicht ich habe mich entschieden ein Kind zu bekommen, sondern hinter dem Kind steht ein Wir, das sich versprochen hat, gemeinsam dieses Leben zu erobern. Dafür entschieden haben wir uns, weil uns vor Augen geführt wurde, wie kostbar und begrenzt unsere Zeit auf Erden ist. Wir haben uns dafür entschieden in dem Wissen, dass es mit unserer Welt nicht zum Besten steht. Wir haben uns dafür entschieden, weil wir daran glauben, dass sich die Dinge ändern können. Dass ein Kind, das mit Wertschätzung aufwächst, vielleicht eines Tages anderen auf dieser Ebene begegnen kann. Wir haben uns dafür entschieden, weil wir nicht alleine sind, sondern so viele uns begleiten bei dieser Herausforderung. Wir haben uns dafür entschieden, weil dieses Kind ein lebendiger Spiegel dessen ist, was wir füreinander empfinden.
Es gibt diesen alten Begriff, “guter Hoffnung sein”. Vielleicht trifft der ganz gut den Kern dieser Entscheidung: Zu wissen, dass da jetzt jemand ist, für den es sich lohnt, die Welt zu verändern. Für den es sich lohnt, an das Gute zu glauben. Für den man betet und für den es ein bisschen Gottvertrauen braucht, um ihn nicht nur zu tragen, sondern auch irgendwann loszulassen.
Am Ende mein Lieblingssatz “All der Stress mit Kind ist es wert, die geben einem ja soviel zurück”.
Ich scheue mich, in jeglichem Kontext von liebevollen Beziehungen von Wert zu sprechen, der sich am geben und nehmen fest macht. Wie wertvoll jemand mir ist, hat für mich nichts damit zu tun, wie viel er für mich tut. Sein “Wert” bemisst sich dadurch, dass er existiert, dass er mich glücklich macht, ohne etwas zu tun. Dass er mich anrührt an Körper und Seele. So entstehen Wunder. So wird man heil. Und wenn er seine Augen öffnet und mich ansieht, dann sehe ich ein Stück vom Himmel. Dann wird meine Welt hell. Das ist das Einzige, was sich im Wesentlichen bahnbrechend verändert hat.
Da kann man doch ruhig mal guter Hoffnung sein.