Gut genug

von Mareile Mevihsen

Vor drei Wochen habe ich ein neu­es beruf­li­ches Auf­ga­ben­feld über­nom­men. Und ste­cke noch im völ­li­gen Wust von Infor­ma­ti­ons-Über­for­de­rung. In der weni­gen Zeit zwi­schen Auf­sau­gen und erschöpft ins Bett fal­len, klopft dann manch­mal ein altes Gefühl an und sagt: „Da bin ich wie­der“. Es ist mir so ver­traut wie mein Vor­na­me und es heißt: Nicht gut genug. DU.bist.nicht.genug.

Als ich jung war hat die­ses Gefühl mei­nen All­tag domi­niert. Ich ging am Abend ins Bett und hoff­te, am Mor­gen wür­de ich eine ande­re sein. Schö­ner, klü­ger, begab­ter, bes­ser, genug. Aber das pas­sier­te nie. Jeden Mor­gen muss­te ich den Blick in den Spie­gel aus­hal­ten, der immer noch mich selbst zeig­te, nie­mand ande­ren. Und ich ver­fluch­te Gott und die Welt dafür, immer wie­der.

Sich selbst zu akzep­tie­ren kann man trai­nie­ren, das Gehirn lernt durch Wie­der­ho­lung. Aber es ist ver­dammt har­te Arbeit.

Vor zwei Tagen habe ich mei­nen ers­ten Got­tes­dienst seit lan­gem besucht. Sein Licht nicht unter den Schef­fel stel­len ich glau­be ja nicht an Zufäl­le. Der Pries­ter hat einen Satz gesagt, der mir sehr gefal­len hat: „Vor dem Machen steh das Zulas­sen“.

Beim Zulas­sen den­ke ich in die­sem Kon­text dar­an, wie schwer es ist, Wert­schät­zung und Kom­pli­men­te anzu­neh­men. Wie schwer es manch­mal ist, zuzu­las­sen, dass mein Gegen­über anders ist und das trotz­dem nicht zu bewer­ten. Wie unger­ne ich die Kon­trol­le über Din­ge abge­be, weil Kon­troll­ver­lust mich ver­un­si­chert. Den­ke an alle, die unum­stöß­lich an mich und mei­nen Wert glau­ben, die mich lie­ben. Ich den­ke dar­an dass ich Zulas­sen muss, dass die­se Lie­be nicht wankt und ein Fels ist in mei­ner Lebens­bran­dung. Ich muss nicht bes­ser sein. Ich muss nichts leis­ten oder Ablie­fern. Die ein­zi­ge Her­aus­for­de­rung, die sich mir stellt, das was ich üben muss: Zulas­sen.

Es ist übri­gens doch pas­siert irgend­wann. Es pas­sier­te nicht über Nacht, aber auf ein­mal war da was. Ich war immer noch die­sel­be. Aber jetzt konn­te ich ihr zulä­cheln, der Frau im Spie­gel. Denn wenn wir Men­schen haben, die nicht müde wer­den uns zu lie­ben, dann hat das die Kraft mein Bild auf die Din­ge zu ver­än­dern.

Ich muss es nur zulas­sen: Akzep­tie­ren dass ich groß­ar­tig und wun­der­bar bin nur unter einer ein­zi­gen Bedin­gung – Ich selbst zu sein, denn nie bin ich lie­bens­wer­ter als wenn ich „Ich“ bin. Dann leuch­te ich ganz auto­ma­tisch nicht nur für mich, son­dern auch für ande­re. Und das ist sogar an schlech­ten Tagen noch so viel mehr als genug.

Foto: Basil Samu­el Lade/Uns­plash