Gesund blei­ben und wer­den

von Thomas Hoogen

Gesund blei­ben und wer­den

von Thomas Hoogen

Vie­les geht grad gar nicht oder kaum wegen Coro­na. Man­ches geht dafür umso mehr. Bei mir zum Bei­spiel Radio hören. Einen kur­zen Satz bekom­me ich jetzt (nicht nur) dort oft gesagt: “Blei­ben Sie gesund!” Ein schö­nes Zei­chen der Anteil­nah­me — so ist es sicher gemeint. Aber bei mir löst der Wunsch auch Fra­gen aus: Und was ist mit den Kran­ken? Hören denn nur Gesun­de Radio?

Natür­lich müs­sen Sen­der auf Ein­schalt­quo­ten ach­ten und rich­ten sich des­halb nach mög­lichst gro­ßen Ziel­grup­pen aus. Gott sei Dank ist es ja abso­lut unwahr­schein­lich, dass die Zahl Coro­na­in­fi­zier­ten selbst am Höhe­punkt der Pan­de­mie die der nicht Infi­zier­ten über­steigt.
Aber es gibt sie nun mal, die Kran­ken, und zwar nicht nur Coro­na­pa­ti­en­ten: Auch in die­sen Tagen schla­gen sich Kin­der das Knie auf (wie der Sohn einer Kol­le­gin), haben eine Zahn-OP (wie eine Freun­din), bekom­men eine Krebs-Dia­gno­se (wie eine Nach­ba­rin). Sie spie­len in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung gera­de kei­ne Rol­le — wie so vie­les ande­re …

Pati­en­ten, egal wel­che, sind vom Wort­ur­sprung Lei­den­de oder Dul­den­de. Etwas ähn­li­ches, näm­lich Geduld, müs­sen wir in die­sen Tagen alle auf­brin­gen. Nie­mand weiß im Moment, wie die Kri­se für mich selbst und für uns alle aus­geht. Als Gesun­de sind wir zwar nicht ans Bett, aber meist ans Haus gefes­selt, mit mehr oder weni­ger kur­zen Unter­bre­chun­gen. So gese­hen bin ich auch grad ein Pati­ent — einer, der (manch­mal leid­voll) Geduld ler­nen muss. Das für vie­le von uns ange­hal­te­ne Hams­ter­rad bie­tet noch eine ande­re Lern­chan­ce: mich und ande­re neu in den Blick zu neh­men. Und neu zu fra­gen, was es wirk­lich braucht, um gesund zu sein. In mei­nem Umfeld gibt es jede Men­ge Men­schen, die durchs Ras­ter des­sen fal­len, was die Mehr­heits­mei­nung für gesund und nor­mal hält. Men­schen, deren berech­tig­te Sor­gen und Anlie­gen nicht vor­kom­men.

Als Jesus mal wie­der von den Reprä­sen­tan­ten der öffent­li­che Mei­nung und Ord­nung in die Enge getrie­ben wird, bringt er es so auf den Punkt: Nicht die Gesun­den brau­chen den Arzt, son­dern die Kran­ken.

Des­halb heißt mein Wunsch: Wer­den Sie gesund!

Text: Tho­mas Hoo­gen
Foto: David Mao/Uns­plash