Flagge zeigen …
von Matthias Fritz
Flagge zeigen …
von Matthias Fritz
Gerade ärgere ich mich über mich selbst. Naja, vielleicht bin ich auch nur über mich selber verwundert. Nach den Anschlägen in Paris hat mir Facebook eine neue, wunderbare Option angeboten: Temporär kann ich mein Profilbild mit der französische Nationalfahne hinterlegen lassen. Ich habe drei Minuten gezögert und es dann getan. Jetzt prangt mein Sommerbild aus Assisi in blau-weiß-roten Schattierungen. Das sieht sehr cool aus!
Aber eigentlich widerspricht es meinem Leben. Heute bin ich nicht #iamparis und vor einigen Monaten war ich nicht #iamcharlie. Heute bin ich, so wie auch jeden Tag #iameurope oder besser noch #iammensch. Denn wenn es eine Sache gibt, die mich in allen Diskussionen über Grenzen, Nationalitäten und Kriegen aufregt, dann ist es eine Geschichtsversessenheit auf das, was das 19. und 20. Jahrhundert war. Rühmen sich nicht so viele, dass sie doch ach so postmodern sind und doch noch tief in der Politik der Moderne stecken?
Ich bin nur ein einziges Mal in Europa nach meinem Ausweis gefragt worden – meinem Kinderausweis. Ansonsten war das Dokument immer versteckt in der Brieftasche meiner Mutter. Es ging zum Familienausflug nach Venlo – vermutlich Käse kaufen. Dann kam Schengen und alle Grenzen haben für mich ihre Bedeutung verloren. Gerade auch, weil ich doch die Generation bin, die die Mauer nicht mehr kennt bzw. nur noch als nachgemachter Betonstein aus chinesischer Massenproduktion auf der Fensterbank stehen hat. Großartig und verhängnisvoll zugleich ist es doch, dass ich nicht die „Generation Y“, „Generation Praktikum“ oder „Generation politiklos“ bin, sondern die „Generation grenzenlos“. Ich kann in Europa über Grenzen reisen und ich werde nicht aufgehalten. Was für ein Gegenbild zu den Flüchtlingsströmen vor Stacheldraht und Grenzzäunen. Aber genau dieses grenzenlos sein, das ist für mich zur Marke des neuen Jahrhunderts geworden, zur Marke einer Postmodernen.
Wobei es doch eine Grenze immer noch gibt. Vielleicht sogar nur diese einzige. Das bist DU! Du da draußen bist der oder die, der oder die ich nicht besitzen kann. Wenn du mit mir nichts zu tun haben willst, dann setzt du die Grenze. Das tue ich auch immer wieder! Leider! Aber die letzte Grenze der Postmodernen bist DU! Und das ist für mich auch gut so, denn ich will dich nicht besitzen. Denn ich möchte dich nicht besitzen oder zerstören. So wie ich mein Bestes möchte, so auch deins – im Respekt vor dir und mir selbst.
Damit bin ich in allem Terror und Krieg #iammensch.
Deswegen werde ich auch gleich die Fahne im Profil wegnehmen. Denn ich möchte als Mensch gesehen werden! Nicht als Person hinter Nationalität, Grenze oder Ausgrenzung.
Foto: Rennett Stowe: distant distance (CC BY 2.0)