Eine Oster­nacht

von Mareile Mevihsen

Eine Oster­nacht

von Mareile Mevihsen

Die­ses Jahr ist alles anders. Kei­ne öster­li­che Lit­ur­gie. Das schei­tert am ver­schnupf­ten Kind und am feh­len­den Baby­sit­ter.

Am Grün­don­ners­tag gehen wir essen. Mit mei­ner ältes­ten Freun­din. Danach sit­zen wir bei uns bei Whis­ky und Rot­wein. Und wäh­rend die Her­ren bald fach­sim­peln über die­ses und jenes, schwel­gen wir in Erin­ne­run­gen. 30 Jah­re Freund­schaft. Wir schau­en alte Fotos, wir erzäh­len, wir lachen. Irgend­wann ist es Nacht. Und ich muss dar­an den­ken, dass es so gewe­sen sein muss, beim letz­ten Abend­mahl. Viel­leicht ging es dem einen oder ande­rem wie mir, mit dem Wunsch, das alles möge nicht enden. In mei­nem Fall reist Stef­fi nur zurück nach Ber­lin, wo sie seit eini­gen Jah­ren lebt. Im All­tag geht es gut ohne ein­an­der. Aber bei jedem Abschied möch­te ich sie fest­hal­ten und sie bit­ten, zu blei­ben. Jesus wünscht sich das. “Bleibt hier und wacht mit mir”, bit­tet er, in dem Wis­sen was kommt.

Am Kar­frei­tag gehen wir durch ihr Eltern­haus. Sie hat inner­halb von weni­gen Jah­ren bei­de Eltern­tei­le von heu­te auf mor­gen durch Herz­in­farkt ver­lo­ren. Das Haus zu lee­ren ist eine never ending sto­ry, ein Jahr­hun­dert­pro­jekt. Unzäh­li­ge Male war ich dort, habe Din­ge mit­ge­nom­men. Lang­sam wird’s ernst. Das Aus­su­chen von Din­gen, die ich gebrau­chen kann, fühlt sich an wie Grä­ber zu schän­den. Viel­leicht kommt er jetzt erst an, der Tod der bei­den Men­schen, bei denen ich mei­ne hal­be Kind­heit ver­brach­te. Bis­her sah es im Haus immer noch so aus, als wäre nur mal jemand kurz ein­kau­fen gegan­gen. Inzwi­schen ist das Haus aus­ge­kühlt. Mei­ne Fin­ger strei­fen über Möbel, Bil­der, Tex­ti­li­en. Im Radio läuft Klas­sik, wie frü­her. Und doch ist da kein Leben mehr. Das Haus atmet nicht mehr. Als ich gehe, gibt es eine Lis­te von Din­gen, die ich mit­neh­men möch­te. Damit ist der Tod wohl end­gül­tig. Und eines Tages wird das Haus leer sein und die Erin­ne­rung wird schwin­den. Ich glau­be des­halb erin­nern wir uns an Kar­frei­tag. Auch wenn’s weh tut. Auch wenn es uns mit Leid und Schmerz und Angst und Trau­er kon­fron­tiert. Weil da sonst nur Lee­re wäre. Aber solan­ge wir füh­len, solang sind wir noch da. Solang sind die noch da, die end­gül­tig fort sind.

Die Oster­nacht star­tet wachend am Bett des hus­ten­den Kin­des. Aus­har­rend im Dunk­len, war­tend auf heil­sa­men Schlaf. Danach noch Backen für’s Fest. Als ich das Abend­essen von ges­tern in die Mikro­wel­le stel­le, ist es fast neun. Egal. Ein Glas Rot­wein und dann zün­de ich die Oster­ker­ze an. Zwei Minu­ten spä­ter begin­nen die Glo­cken zu läu­ten. 200 Meter wei­ter in der Kir­che fei­ern sie jetzt Auf­er­ste­hung.

Viel­leicht ist es Zeit umzu­räu­men. Da sind Bil­der, Geschirr, Möbel, die dem­nächst ein­zie­hen. Sie wer­den mein Zuhau­se schö­ner machen. Und wär­mer. Mit­ten im Leben. Ihre Geschich­te ist nicht zu Ende. Ostern.