Auf­er­ste­hung

von Mareile Mevihsen

Auf­er­ste­hung

von Mareile Mevihsen

Die Oster­nacht 2011 ver­brach­te ich in der psych­ia­tri­schen geschlos­se­nen Abtei­lung. Hat­te eigent­lich geplant, in die Mes­se zu gehen und dann über­rann­te mich das Leben und auf ein­mal konn­te ich nicht mehr auf­hö­ren zu wei­nen. Eine Freun­din brach­te mich schließ­lich hin, da sie sich nicht mehr zu hel­fen wuss­te.

Ich habe wenig Erin­ne­run­gen an die­sen Abend, außer dass ich am nächs­ten Mor­gen mit frem­den Men­schen im Zim­mer auf­wach­te und der Blick in den Spie­gel mir bestä­tig­te, dass ich es mit jedem Zom­bie auf­neh­men könn­te. Da war ich also und es war Ostern. Über lie­be­voll gedeck­ten Tischen Früh­stück, dann kün­dig­te mei­ne Zim­mer­nach­ba­rin an, zur Mes­se zu gehen. Das weck­te mei­ne Lebens­geis­ter und ich schloss mich an.

Die Mes­se fand statt in der Demenz­ab­tei­lung. Acht älte­re Damen und Her­ren, mei­ne Zim­mer­nach­ba­rin Mel und ich. Eine Mes­se, wie ich sie noch nie erlebt habe, die mich mehr berührt hat als das je eine Oster­nacht geschafft hat. Der Seel­sor­ger erzählt das Mär­chen von dem Jun­gen, der dem Tod ein Schnipp­chen schlägt. Da lau­fen mir dann wie­der die Trä­nen, wie auch eini­gen ande­ren, für die es viel­leicht das letz­te Oster­fest auf die­ser Welt ist. Mel legt ihre Hand auf mei­ne. Ich regis­trie­re, dass ihr kom­plet­ter Arm mit Nar­ben von Schnit­ten und aus­ge­drück­ten Ziga­ret­ten über­sät ist.

Irgend­wann in die­ser hal­ben Stun­de ist er da, der Lebens­fun­ke der mich durch die nächs­ten Wochen und Mona­te brin­gen wird.

Für mich ist Auf­er­ste­hung seit­dem nichts mehr, was mal eben pas­siert. Es ist ein Pro­zess, der weh tut, weil vie­les zurück­bleibt. Eine Hei­lung, an deren Ende, wenn es denn eines gibt, nicht alles gut ist. Bei der die Spu­ren blei­ben, die all das vor­her hin­ter­las­sen hat, auch wenn die Nar­ben nicht bei jedem von uns so sicht­bar sind, wie damals bei mei­ner Zim­mer­nach­ba­rin.

Ich glau­be da, wo wir uns als wahr­haf­ti­ge Men­schen begeg­nen, mit all unse­ren Wun­den und Nar­ben, da wird Auf­er­ste­hung mög­lich und da steht am Ende nicht mehr das Kreuz, son­dern das unein­ge­schränk­te Ja zum Leben.