Heimat ist (m)eine Muttersprache
von Matthias Fritz
Heimat ist (m)eine Muttersprache
von Matthias Fritz
Als Priester sind wir ständig am Reden. Verkündigung soll es dann sein. Mir kommt es oft wie Logorrhoe vor: Wortdurchfall! Reden, reden, reden — ohne Ende. Und alles kann doch nicht nur Verkündigung sein…
Oft frage ich mich dabei was die Menschen wohl von mir denken, wenn ich immer reden muss bzw. sie mich immer hören müssen. Denn eine Erkenntnis der letzten Zeit war: Meine Sprache verrät ganz viel über mich. Die Wortwahl, der Zungenschlag, das Tempo, die Klangfarbe, die Grammatik, alles verrät Dinge über mich. Sie verraten, ob ich gerade nervös bin, cool sein möchte, wirklich hinter dem stehe was ich sage, jemanden loswerden möchte oder auch woher ich komme. Man hört einfach wo und wie mir der Mund gewachsen ist…
Dabei kann ich vor allem von den Dingen besonders gut und begeistert sprechen, die mich ausmachen und die mir Heimat geworden sind bzw. mir Heimat waren. Da wo ich meine Wurzeln habe/hatte und dort wo ich etwas intensiv gelernt habe. Da wurde meine Sprache auch geprägt. Ich habe Worte von Mitstudenten behalten, mit denen ich schon lange nicht mehr unterwegs bin. Diese Worte sind aber immer noch Teil meiner Sprache. Auch die Bilder in meiner Sprache verraten mich. Ich spreche oft von der „Augenhöhe“ auf der sich Menschen begegnen sollen, da dies eine meiner grundsätzlichsten Erfahrungen ist. So bin ich immer behandelt worden und dies ist auch meine Richtschnur für den Umgang mit Menschen.
Mich nerven aber auch Worte in meiner Sprache. Ich bin ein Nerd darin Rückfragen mit einem kurzen „Echt?“ zu stellen oder auch Antworten in einer Regelmäßigkeit mit „Ok“ zu beantworten. Mir fällt es auf und es nervt mich. Aber irgendwie werde ich es nicht mehr los.
In so vielen Worten, Floskeln, Bildern und Phrasen habe ich Heimat gefunden, bin ich zuhause. Und es fällt mir schwer Worte im Glauben zu wiederholen, die mir gerade ständig begegnen. Ich schätze die „Liebe“, ich freue mich über „Gottes Barmherzigkeit“ und setze mich auch für „die Gerechtigkeit“ ein. Aber ich kann diese Worte auch irgendwann nicht mehr hören, geschweige denn selber verwenden. Bin ich dann dort nicht mehr zuhause oder sind sie auch in meine Gene übergegangen, so dass sie nicht mehr gesprochen werden müssen? Und dennoch soll ich sie verkündigen als Priester.
Das Sprechen als Verkündiger und Priester ist für mich keine einfache Sache. Da liegen Welten drin versteckt und vieles kann mich verraten (dieser Beitrag tut es ja auch schon). Ich kann mich nur selten gut hinter Worten verschanzen. Und dennoch scheinen Worte ganz elementar für den Glauben und meinen Dienst zu sein, denn „der Glaube kommt vom Hören“ (Röm 10,17), wie Paulus schreibt. Wo aber bleiben dann Mimik, Gestik, Empathie? Sind diese nicht auch meine Muttersprachen? Warum setzen wir immer noch so sehr auf das Wort? Es würde mir zumindest etwas Freiheit geben, wenn der Fokus nicht immer nur auf meinen Worten liegen würde…
Foto: Kreuzschnabel: Neubaugebiet in Wetzgau (CC BY-SA 3.0), Bild gezerrt