Tradition
von Gastbeitrag
Tradition
von Gastbeitrag
„Wir müssen zurück zur Tradition – zur Lehre der Kirche vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil!“
So schrieb eine Frau empört in einer facebook-Diskussion. Da schien eine Menge an Gefühlen mitzuschwingen, wer weiß, was für Verletzungen sie erlebt hat. Dennoch: zu der pauschalen Aussage, das II. Vatikanum habe die Tradition der Kirche gebrochen, will ich nicht schweigen. Hier scheint mir ein tiefes Missverständnis bzgl. des Begriffes „Tradition“ vorzuliegen.
Im Noviziat habe ich einen schönen Satz kennen gelernt, der mir seither ein wichtiger Maßstab geworden ist:
Tradition bedeutet nicht die Asche zu bewahren, sondern das Feuer zu hüten.
Wenn man ein Feuer schürt, entsteht Asche. Die kann weg, sobald sie kalt geworden ist, sobald sie keinerlei Glut mehr enthält. Dann wird sie für das lebendige Feuer nicht mehr gebraucht. Trotzdem ist es immer dasselbe Feuer! Schlimm wäre, wenn man es achtlos ausgehen ließe, weil man etwas Neues, vermeintlich Besseres gefunden hat. Wir Christen hüten seit 2.000 Jahren ein- und dasselbe Feuer, geben es als Fackel weiter. Wenn jemand abdriftet, fragen wir: sitzt du eigentlich noch an unserem Feuer? Oder hast du dich zwar bei uns entzünden lassen, kochst aber inzwischen dein eigenes Süppchen auf deiner separaten Feuerstelle? Unabhängig davon, ob diese Suppe gut ist oder nicht: dann wäre etwas Neues entstanden, ein neues Feuer. Aber die Asche, die abfällt, die müssen wir auf jeden Fall hin und wieder auskehren, die staubt nur und hindert.
Genau das tun Konzilien. Sie sehen sich das lebendige Feuer der Überlieferung an und versuchen es von allem zu reinigen, was es am brennen hindert. Sie sehen sich diejenigen an, die an anderen Feuerstellen sitzen und überlegen, ob sie sich eher abgrenzen müssen oder ob sie freundlich hinüberwinken und ein bisschen näher rücken sollen. Und sie fragen, was man tun kann, damit das Feuer noch etwas heller brennt.
Natürlich geht das nicht immer reibungslos. Wo Menschen sind, passieren Fehler, sie schießen z.B. ganz gerne mal vor lauter Begeisterung übers Ziel hinaus. Nach dem II. Vatikanum beispielsweise ist das reichlich passiert. Um im Bild zu bleiben: mit lebendigem Feuer muss man vorsichtig umgehen, sonst kann man sich und andere verletzen. Andererseits nützt es nichts und niemandem, wenn man aus Sicherheitsgründen das Feuer gleich ganz löscht!
Letztlich geht es in unserer Kirche doch immer darum, die Botschaft Jesu weiterzugeben. Lassen wir die Fackel des Evangeliums nicht im Staub leerer Formen ersticken.
Sr. Barbara
Foto: SmoHoHo: Lagerfeuer (CC BY-NC 2.0)