Moment­auf­nah­me

von Mareile Mevihsen

Moment­auf­nah­me

von Mareile Mevihsen

Schon am nächs­ten Mor­gen weiß ich nicht mehr, war­um genau er nachts um halb zwölf plötz­lich vor mei­ner Tür stand. Lan­ge­wei­le hat­te uns einen Film­abend auf­ge­drängt, so spon­tan, dass er erst spät begann.

Als der Film vor­bei is,t noch ein biss­chen Small­talk. Und dann, völ­lig ahnungs­los, tref­fe ich genau ins Schwar­ze mit dem “Wie geht es dir denn eigent­lich?”.

Und aus dem jun­gen Mann, der mei­nes Erach­tens nach alles hat, wird plötz­lich einer, der ziem­lich allein mit sich ist, als er mir von sei­nem Leben erzählt, als die Mas­ke fällt. Und ich begin­ne zu begrei­fen, was all die Jah­re, die ich ihn nun ken­ne, nicht zusam­men zu pas­sen schien. Schlag­ar­tig sehe ich ihn vor mir, beim Abschluss­ge­spräch der Firm­vor­be­rei­tung vor acht Jah­ren. Er hader­te mit Gott, er konn­te ihn kaum wahr­neh­men in sei­nem Leben. Und ich ver­stand es ein­fach nicht, ich spür­te, da ist etwas, aber konn­te es nicht grei­fen. Fir­men las­sen hat er sich trotz­dem. Weil ihm die Gemein­schaft, die er in Kir­che erfah­ren hat­te, so viel bedeu­tet hat, dass er das Gan­ze nicht auf­ge­ben woll­te.

Ich glau­be, dass er sich rich­tig ent­schie­den hat, damals, mit dem Ja zur Fir­mung, auch wenn ich sei­ner­zeit unsi­cher war, ob der win­zi­ge Fun­ke in ihm rei­chen wür­de. Aber wenn die­ser Gott, wenn mein Gott so ist, wie ich ihn erle­be, dann ist er vor allem eins: Unter den Men­schen. In den Nuan­cen zwi­schen uns. In den Augen­bli­cken, wenn wir in wahr­haf­ti­ge Bezie­hung mit­ein­an­der tre­ten. Da, wo wir den ande­ren anse­hen und Wor­te über­flüs­sig sind.

Es wird fast Mor­gen, als wir uns ver­ab­schie­den. Eine ver­le­ge­ne Umar­mung, ein Lächeln. Mach’s gut, halt die Ohren steif, man sieht sich. Der Moment ist vor­über.

Was bleibt, ist die Erin­ne­rung, die uns manch­mal lächeln lässt, wenn wir den ande­ren begeg­nen, mit denen wir sol­che Momen­te tei­len. Und die Hoff­nung, dass die­ser Gott mir immer wie­der die­se Momen­te ermög­li­chen wird. Dann bin ich reich beschenkt.