Aache­ner Ansich­ten

von Matthias Fritz

Aache­ner Ansich­ten

von Matthias Fritz

Wie sehe ich eigent­lich mei­ne Stadt? Die Stadt, in der ich arbei­te und lebe, ein­kau­fe und schla­fe, ins Kino gehe… Der Ort, von dem ich auch ger­ne weg­fah­re und zu dem ich zurück­kom­me.

Oft sehe ich mei­ne Stadt aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven:

  • Wenn ich mit dem Zug nach Aachen rein­fah­re und ich das Pan­ora­ma von Dom, Rat­haus, Türen und Häu­sern, Lous­berg und Stra­ßen betrach­te.
  • Wenn ich von mei­ner Woh­nung zur Arbeit gehe und die Häu­ser, die Men­schen, die noch kah­len Bäu­me, die Müll­ton­nen und die Bau­stel­len sehe.
  • Wenn ich von mei­nem Dach­fens­ter aus den Sal­va­tor­berg, das Park­haus des Kran­ken­hau­ses und die Wet­ter­säu­le am Bahn­hof erbli­cke.

Jeder Blick scheint ver­traut und doch fern und auch neu.

Und doch kam mir letz­tens ein Gedan­ke, der mich noch beschäf­tigt. Ich sehe viel von außen. Die Häu­ser, die Türen, die Fens­ter, die Kir­chen, die Arbeits­plät­ze. Aber was auf der ande­ren Sei­te der Mau­ern pas­siert, sehe ich nicht. Viel­leicht höre ich ein­mal etwas aus offe­nen Fens­tern (an dem Tag, als Joe Cocker starb, tön­te es auf dem Weg zur Arbeit aus den Fens­ter mit sei­nen Hits – gleich meh­re­re Häu­ser neben­ein­an­der). Aber ich kann nur ver­mu­ten, dass dort geliebt, gestrit­ten, gekocht, gespro­chen, getrennt, lieb­kost und geschla­fen wird. Es ist für mich unvor­stell­bar, was alles in die­ser Stadt vibriert, lebt, bro­delt, schläft… Und nicht nur hier. Welt­weit. Und immer wie­der beglei­tet mich der Gedan­ke, ob da viel­leicht jemand ein­sam oder mit ande­ren Men­schen sitzt und lebt. Ich füh­le aber auch eine tie­fen Respekt vor unse­rem Gott. Respekt, weil er all dies auf dem Schirm hat und sieht, hört und mit­er­lebt.

Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.
(1. Samu­el 16,7)

Das kann ich nicht, darf ich viel­leicht auch nicht, will ich nicht. Den­noch bin ich immer wie­der erstaunt, was Men­schen mir als Pries­ter und als Seel­sor­ger anver­trau­en. Din­ge, Erleb­nis­se, freu­di­ge und schmerz­haf­te Momen­te, die mir einen Blick hin­ter die Fens­ter und Türen, Wän­de und Plät­ze der See­len schen­ken. Das ist nicht immer leicht und dann zählt auch für mich der Satz aus dem ers­ten Buch Samu­el und ich bete und bit­te: Herr, sieh mein Herz, und nimm Dir das zu Her­zen, wie Du Dir hof­fent­lich auch das zu Her­zen nimmst, was ver­bor­gen hin­ter den Türen, Wän­den, Fens­tern und Plät­zen unse­rer Stadt geschieht.

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