Versuchung
von Matthias Fritz
Versuchung
von Matthias Fritz
Seit dem 1. September 2014 habe ich ein schönes Büro für die Berufungspastoral. Es liegt etwas im Schatten, aber eben im Schatten des Aachener Domes. Das ist eine Toplocation in unserer Stadt. Ich muss nur aus der Tür meines Büros herausgehen und schon sehe ich das touristische Haupthighlight der Stadt. Dann sehe ich auf über 1200 Jahre Geschichte Europas und des Christentums in unseren Breitengraden. Da wird so mancher Besucher neidisch. Am Anfang war auch ich stolz wie Oskar. Aber mittlerweile habe ich ein gespanntes Verhältnis zu dieser Location.
Im Schatten des Domes zu sitzen ist nämlich auch eine Versuchung. Ich kann hier brav in meinem Büro auftauchen, meine Arbeit machen und dann auch wieder verschwinden. Ich kann hier sehr behütet denken, dass alles in unserer Welt gut und friedlich ist und dann meine Sachen packen und nach Hause gehen. Oft erwischt mich ein Gedanke, gerade in schweren Momenten, der sagt „Der Dom steht schon so lange, dann wird Dich der Sturm auch nicht umhauen.“ Aber wie sicher sitzen wir als Kirche und als Christen noch im Sattel? Auch das Fundament von 1200 Jahren Geschichte der Christen in unserer Region ist ins Wanken geraten.
Mir gehen immer noch die drei Versuchungen Jesu nach, die er zu Beginn seiner Tätigkeit durchleben musste:
Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf ließ der Teufel von ihm ab und es kamen Engel und dienten ihm.
(Mt 4,1 – 11)
Sind wir nicht auch diesen Versuchungen als Gemeinschaft Jesu schon erlegen?
- Der Versuchung, aus Steinen Nahrung machen zu wollen und die Steine wichtiger zu nehmen als die Nahrung? An unseren Gebäuden und Kirchen ist nicht mehr viel Nahrhaftes für viele Menschen.
- Der Versuchung, den Weg durch die Geschichte zu gehen und wir sind böse auf die Nase gefallen, weil wir nicht fliegen können und Christentum noch nie die Geschichte von Überfliegern war.
- Der Versuchung, die Welt besitzen und durchwirken zu wollen und sind dabei hierarchisch und unkatholisch, weil einengend, geworden?
Jesus hat nach diesen Versuchungen seinen Platz in der Welt gefunden und ist darin aufgegangen und hat sein Leben dann für Gott und die Menschen einsetzen können. Er hat sozusagen seine Berufung gefunden. Wann haben wir diese Versuchungen durchlebt und können wieder unsere Berufung finden? Oder mit anderen Worten:
„Als die ersten Jünger und Jüngerinnen in das Lebensprojekt Jesu eintraten, bedeutete das für sie einen Konflikt und in vielen Fällen einen Bruch mit bisherigen Lebensprojekten, auch mit religiösen Bindungen.“ (M. Gruber)
Wann kommt unser Aufbruch in die heutige Zeit, damit wir unser Lebensprojekt neu ausrichten?