Sei hier Gast
von Mareile Mevihsen
Sei hier Gast
von Mareile Mevihsen
Die Rückkehr nach Lappland war insofern erschreckend, dass viel weniger Schnee lag als vor fünf Jahren. Sicherlich um Längen mehr Schnee auf einem Haufen, als der Durchschnitts-Rheinländer in seinem Leben sieht, aber doch: wenig Schnee für finnische Verhältnisse.
Nach dem Studium hatte ich drei Monate knapp unter dem Polarkreis als Au-pair in einer finnischen Familie gelebt und gearbeitet und in mir hatte sich das Gefühl breit gemacht, dass es Zeit wäre, zurückzukehren. Manches war mir neu, vieles anders, aber alles vertraut. Ich begegnete Menschen, die seinerzeit für einen Wimpernschlag meine Familie und meine Freunde waren. Und es fühlte sich an, als wäre ich eben erst zur Tür hinausgegangen.
Ich glaube es war mir vor fünf Jahren nicht bewusst, was es für die schüchternen Finnen bedeutet, einen Gast aufzunehmen. Damals fühlte es sich so selbstverständlich an, jetzt war es das nicht. Da ist Laura, meine engste Freundin damals, die uns ihre Wohnung wie eine eigene zur Verfügung stellte, obwohl sie selber sich in den Urlaub verabschiedete. Meine Gastfamilie, die uns zum Kindergartenfest in den finnischen Kindergarten schickten mit den Worten „Unsere Kleine hat ja keine Großeltern, wäre schön, wenn ihr stattdessen hingehen könntet“. Weder spreche ich finnisch noch hatte das Kind (damals Säugling) eine Erinnerung an mich. Wir gingen hin. Und wurden empfangen als würden wir dazugehören.
Am Ende der Reise ein Zwischenstopp in Helsinki, eine alte Kommilitonin ist hierher ausgewandert zu ihrem finnischen Freund. Wiederum: Ankommen und sein dürfen als wäre es selbstverständlich.
Als ich im Flieger sitze, wünsche ich mir, ich wäre aufmerksamer in meinem Alltag. Würde häufiger schreiben, mehr skypen, den Kontakt nicht immer wieder neu suchen müssen. Die Wahrheit ist, dass es mir wehtut, den Kontakt zu halten. Weil mir mit jedem Telefonat mit meiner Studienfreundin klar wird, wie sehr sie mir fehlt und wie gut es wäre, sie bei mir zu haben. Das gilt für alle dort oben. Ich hoffe darauf, dass der Tag kommt, an dem ich selber die Tür öffnen, den anderen in die Arme schließen darf und einladen kann, so wie ich hundertfach eingeladen wurde: Sei hier Gast.