Eine Nacht im Kibbutz
von Matthias Fritz
Eine Nacht im Kibbutz
von Matthias Fritz
Mordechai ist orthodoxer Jude. Er trägt ständig seine Kippa, aber warum Juden das tun, das kann er nicht genau sagen. In unserem Hotel gibt es am Abend eine Einführung wie das Leben im Kibbutz funktioniert. Mordechai erzählt.
Am Nachmittag sind wir mit unserer Gruppe im Kibbutz Lavi angekommen. Nach gut 16 km Weg aus Cana heraus, wird hier unsere Station für die Nacht sein. Unsere ersten Schritte ins Gelände sind die in einen kleinen Ort auf einem Hügel in Galiläa. Eine Schule, ein Schwimmbad und unser Hotel. Alles etwas isoliert auf einer Anhöhe, aber es wirkt erst einmal nicht besonders. Auf der Runde durchs Gelände sehen wir Bungalows, eine Synagoge, einen Rosengarten, eine Promenade mit Trimm-Dich-Zeichen und eine Kuhfarm. Herausstechend ist das Furniture-Haus, von wo aus der weltgrößte Möbelverkauf für Synagogenmöbel stattfindet. „Unsere Möbel stehen in Synagogen in Nordamerika, Südafrika, Frankreich, Deutschland, Asien.“, sagt Mordechai. Aber die glanzvollen Zeiten der Kibbutzbewegung scheinen vorbei zu sein. Die Kibbutzim werden zwar noch vom Staat in ihrer „kommunistischen“ Lebensform unterstützt, aber der Nachwuchs der Eltern im Kibbutz überlegt es sich, ob alle Einkünfte an die Gemeinschaftskasse gehen sollen. Jede Familie erhält hier einen Bungalow, Krankenversicherung, Essen und das Nötige zum Leben, „aber meinen Kindern kann ich nichts vererben“, erklärt Mordechai. Selbst das Essen nehmen nicht mehr viele im Gemeinschaftssaal ein. Viele nehmen es mit nach Hause und essen dort. Auch die Sommerpraktikanten, die aus aller Welt kamen und hier während der Ferien ausgeholfen haben bleiben fern.
Mich beschäftigten die Worten von Mordechai, aber vielmehr die Stimmung dahinter. Was ist, wenn eine Idee und ein Gemeinschaftsgefühl und –projekt stirbt? Was ist, wenn das wofür ich angetreten bin nicht mehr von anderen getragen wird? Vor allem, was gebe ich weiter, wenn ich materiell nichts zu „vererben“ habe, aber auch meine „Ideologie“, meine Lebensmotivation und mein Lebensinhalt nicht bei anderen (sogar den eigenen Kindern) ankommt und weiterlebt? Das Gespräch unserer Gruppe ging auch in diese Richtung und mein „Abendgefühl“ sagt mir, dass es bei uns nicht anders ist bzw. sein wird…