Das Schaf mit dem Locken­stab

von Matthias Fritz

Das Schaf mit dem Locken­stab

von Matthias Fritz

Ich dach­te, ich höre nicht rich­tig! Wie dre­hen Scha­fe Locken?

Eine Kol­le­gin erzähl­te von einer Anek­do­te von Papst Fran­zis­kus. Wir schei­nen uns jetzt in der Kir­che für zoo­lo­gi­sche Ver­glei­che zu inter­es­sie­ren. In einem Inter­view hat Fran­zis­kus einen bibli­schen Ver­gleich auf­ge­grif­fen. Das tat er mit Lukas 15, 1 – 7:

Alle Zöll­ner und Sün­der kamen zu ihm, um ihn zu hören. Die Pha­ri­sä­er und die Schrift­ge­lehr­ten empör­ten sich dar­über und sag­ten: Er gibt sich mit Sün­dern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzähl­te er ihnen ein Gleich­nis und sag­te: Wenn einer von euch hun­dert Scha­fe hat und eins davon ver­liert, lässt er dann nicht die neun­und­neun­zig in der Step­pe zurück und geht dem ver­lo­re­nen nach, bis er es fin­det? Und wenn er es gefun­den hat, nimmt er es voll Freu­de auf die Schul­tern, und wenn er nach Hau­se kommt, ruft er sei­ne Freun­de und Nach­barn zusam­men und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wie­der­ge­fun­den, das ver­lo­ren war. Ich sage euch: Eben­so wird auch im Him­mel mehr Freu­de herr­schen über einen ein­zi­gen Sün­der, der umkehrt, als über neun­und­neun­zig Gerech­te, die es nicht nötig haben umzu­keh­ren.

Und er frag­te: Ist es heu­te nicht umge­kehrt? Sind nicht 99 Scha­fe schon weg­ge­lau­fen und wir küm­mern uns nur noch um das eine Schaf und dre­hen ihm noch fröh­lich die Locken? Puh, dach­te ich. Das saß! Aber es traf auch ein Gefühl in mir. Krei­se nicht auch ich immer wie­der um die glei­che Grup­pe von Men­schen und blei­be dabei brav in mei­nem Büro hocken? Bin ich nicht auch immer damit beschäf­tigt, den glei­chen Scha­fen die Locken zu dre­hen, damit ich sie mir noch hübsch und pas­send mache? Das bringt mir Sicher­heit und ich kann die Schäf­chen gut ein­schät­zen. Das Risi­ko etwas falsch zu machen oder per­sön­lich zu pro­vo­kant ange­fragt zu wer­den, sinkt.

Gleich­zei­tig fiel mir der Gedan­ke eines Kol­le­gen zu genau die­ser Bibel­stel­le ein: Ist es nicht span­nen­der gera­de dem einen Schaf hin­ter­her zu gehen und das Beson­de­re zu erfah­ren, was es in der Welt da drau­ßen gelernt hat — auch wenn es in den Augen mei­ner Gemein­schaft als „ver­lo­ren“ gilt? Ich kann doch an dem einen Schaf mehr über die Welt ler­nen als durch mei­nen Kir­chen­stall. Und wenn es auch noch 99 Scha­fe sind, die in der Welt unter­wegs sind, dann kann ich noch ein­mal mehr ler­nen!

Ich rin­ge gera­de mit der Fra­ge „anonym Pries­ter“ für die „anony­men Chris­ten“ zu sein. Mit­ten unter den Men­schen zu leben, wo man kei­ne Pries­ter ver­mu­tet, mei­ne Frei­zeit noch ein­mal zeit­lich anders zu gestal­ten unter Men­schen und viel­leicht auch ein­mal nicht direkt als Pries­ter erkennt­lich zu sein… Gegen was müss­te ich dann den Locken­stab ein­tau­schen?

Foto: kal­le­jipp / photocase.de