Ich ken­ne dich

von Mareile Mevihsen

Ich ken­ne dich

von Mareile Mevihsen

„Ich ken­ne dich.“

Nicht viel mehr Wor­te beinhal­tet dei­ne Nach­richt an mich. Und ich muss dar­an den­ken, wie oft Men­schen die­sen Satz wohl benut­zen. Oft­mals mit Häme im Sin­ne von „Ich ken­ne dich, Freund­chen“. Sel­ten beinhal­tet er Gutes.

Dein Satz hin­ge­gen ist anders. Dein „Ich ken­ne dich“ sagt: Ich weiß um dich. Ich ken­ne dein tiefs­tes Inners­tes. Ich bli­cke durch das hin­durch, was du mich sehen lässt, auf den Grund. Es sagt: Bei mir musst du nie­mand anders sein, als du selbst. Darfst schutz­los sein und ver­letz­lich. Denn hier bist du sicher. Dein „Ich ken­ne dich“ sagt: Mei­ne Augen sehen dich, mei­ne Ohren hören dich, mei­ne Arme sind offen für dich. Es sagt: Ich neh­me dich an in dei­ner ein­zig­ar­ti­gen Mensch­lich­keit. In dei­nem Strah­len. In dei­nen Brü­chen. Voll von Lie­be.

Oh, wie ich ihn brau­che die­sen Satz in die­sen Zei­ten, in denen wir alle auf­ge­braucht sind und uns seh­nen. In denen wir wei­ter­ma­chen und wei­ter, weil alles ande­re kei­ne Opti­on ist. In dem wir die letz­ten Reser­ven mobi­li­sie­ren und immer wie­der sagen „Nur noch“. Nur noch ein paar Wochen. Die­se letz­te Wel­le. Nur noch bis nach den Imp­fun­gen. Nur noch bis alles wie­der nor­mal wird. Wird es das? Mein „Nur noch“ ist müde.

Dein „Ich ken­ne dich“ ist der Ort, an dem ich los­las­sen kann. An dem Wut und Trau­er gebor­gen ist. An dem Erschöp­fung zu Ener­gie wird. Quel­le mei­nes Lachens. Und mei­ner Zuver­sicht. Lie­be gewinnt.

„Ich ken­ne dich“, schreibst du. Und ich weiß, dass es stimmt.

Foto: Ana­sta­sia Vity­u­ko­va/Uns­plash