Mat­thi­as

von Mareile Mevihsen

Mat­thi­as

von Mareile Mevihsen

Ein Unfall, Auto kaputt, über­lebt.

Mein Schock kommt erst danach. Als ich längst weiß, es geht dir gut, du lebst. Unver­sehrt durch ein Wun­der. Aber mein Herz bleibt ste­hen für einen Moment danach, als du fast nicht mehr da gewe­sen wärest. Denn dass du nicht mehr bist, das ist nicht vor­stell­bar. Du sollst doch eines Tages mich zu Gra­be tra­gen, so habe ich mir das über­legt. Und alt wer­den wir sein, uralt. Und zurück bli­cken auf all die­se Jah­re, die wir zusam­men ver­bracht haben. So ist das zumin­dest für mich, denn aus mei­nem Leben bist du nicht mehr weg­zu­den­ken. Du glaubst, dass sich nichts ver­än­dert hat seit dem Unfall. Dass es nur ein Ereig­nis war von vie­len. Kein Wen­de­punkt, kein Schei­tern, wie du sagst. Aber wir sind anders mit­ein­an­der seit­dem. Als hät­te das unter­be­wuss­te Wis­sen um die Fra­gi­li­tät unse­rer Exis­tenz uns das über­win­den las­sen, was zwi­schen uns stand.

Du stellst mehr Fra­gen, als du Ant­wor­ten hast. Du bist scho­nungs­los ehr­lich zu dir selbst. Du wür­dest lie­ber ster­ben, als dei­ne Idea­le zu ver­ra­ten.

Du glaubst, du hoffst. Wir tei­len eine Sehn­sucht. Und wis­sen viel­leicht gar nicht wonach. Nach Wär­me, nach Frie­den, nach Brü­chig­keit, nach Mensch­lich­keit Son­nen­un­ter­gän­ge las­sen unser Herz schnel­ler schla­gen. Und wir hal­ten die­ses Leben für ein Geschenk und abso­lut loh­nens­wert. Wir haben mehr Fra­gen als Ant­wor­ten. Und Mut sie ein­an­der zu stel­len.

Neu­lich, da hast du mir eine Flu­se von der Schul­ter zup­fen wol­len. Als wäre es das Selbst­ver­ständ­lichs­te der Welt. Mensch­li­cher willst du sein, willst du wer­den, sagst du. Du bist es längst gewor­den für mich. Seit­dem ich wuss­te, du bist sterb­lich, aber vor allem in die­sen Sekun­den: Als du ohne Nach­zu­den­ken eine nicht vor­han­de­ne Flu­se weg­zup­fen woll­test. Und die Welt still stand, weil wir plötz­lich berühr­bar wur­den.

Und da war es, in dem klei­ner wer­den­den Raum zwi­schen uns. Ein Rau­nen, ein Rau­schen, ein Knis­tern, ein Säu­seln, ein Spü­ren, ein Ahnen. In dei­ner Mensch­lich­keit begeg­net mir Gott.

Foto: Luci­an Ale­xe/Uns­plash