Lasst uns froh und mutig sein!

von Jonas Zechner

Lasst uns froh und mutig sein!

von Jonas Zechner

Und wie­der ist es soweit. Seit eini­gen Jah­ren pro­du­ziert eine gro­ße deut­sche Super­markt­ket­te kurz vor Weih­nach­ten ein emo­tio­nal anrüh­ren­des (Werbe-)Video, dass Wer­te wie Nächs­ten­lie­be und Soli­da­ri­tät krea­tiv und ver­ständ­lich ins Heu­te über­setzt. In kur­zen Sequen­zen skiz­ziert das dies­jäh­ri­ge Video das Auf­ein­an­der­tref­fen eines ver­bit­ter­ten alten Man­nes, Herrn Schmidt, mit einer ver­mut­lich aus dem nahen Osten stam­men­den Fami­lie in einem gro­ßen Miets­haus. Herr Schmidt ärgert sich über die laut lachen­den und spie­len­den Kin­der und zer­tritt ver­är­gert eine Dose, die ihnen als Fuß­baller­satz dient. Doch dann die Wen­dung: Herr Schmidt erhält einen Anruf vom Gesund­heits­amt, eilt hus­tend in die Woh­nung und muss sich iso­lie­ren. Der Advents­tür­kranz liegt am Boden, die Qua­ran­tä­ne Ver­ord­nung des Gesund­heits­am­tes hängt war­nend an der Tür. Weih­nach­ten ist offen­sicht­lich gelau­fen. Die Kin­der, die Herr Schmidt zuvor ange­schnauzt hat, neh­men die­se Situa­ti­on wahr und wer­den aktiv. Zusam­men mit der gan­zen Fami­lie kochen und backen sie ein klas­si­sches „deut­sches“ Weih­nachts­es­sen und stel­len es dem Nach­barn vor die Tür, der von die­ser empa­thi­schen Ges­te sicht­lich gerührt ist. Die aus­drucks­star­ken Bil­der wer­den unter­schrie­ben mit dem der Bot­schaft: „Lasst uns froh und bun­ter sein.“

Ich wür­de mich sehr freu­en, wenn mei­ne Kir­che auch sol­che Geschich­ten erzäh­le könn­te. Oder noch bes­ser: Wenn man in ihr sol­che Din­ge erle­ben könn­te! Dass der Pfar­rer, der zunächst erzürnt und ent­täuscht war, weil sein sorg­fäl­tig vor­be­rei­te­ter Got­tes­dienst um Mit­ter­nacht abge­sagt wer­den muss­te, durch die Not der woh­nungs­lo­sen Men­schen ange­rührt, sei­ne Kir­che öff­net, Feld­bet­ten bereit­stellt und so denen einen tro­cke­nen und siche­ren Ort gibt, die sich nicht an die nächt­li­che Aus­gangs­sper­re hal­ten kön­nen. Dass die Bil­dungs­häu­ser, die über die Fei­er­ta­ge leer ste­hen, Frau­en­häu­sern als Aus­weich­quar­tie­ren ange­bo­ten wer­den, wenn die­se sonst wegen Über­fül­lung Men­schen abwei­sen müss­ten. Dass Gemein­den Video­weih­nachts­fei­ern für allein­ste­hen­de Men­schen anbie­ten. Dass LKW Fah­ren­de an Rast­plät­zen über­ra­schend Weih­nachts­ge­schen­ke und eine ver­nünf­ti­ge Mahl­zeit erhal­ten. All das wür­de ich mir so sehr wün­schen.
Ich glau­be, dass die Gesell­schaft es Christ*innen anrech­nen wür­de, wenn die­se nicht auf ihre Pri­vi­le­gi­en behar­ren und sich auf das Recht auf Aus­übung der Reli­gi­ons­frei­heit zurück­zie­hen wür­den. Wenn sie mer­ken, das Christ*innen – frei­wil­lig aus soli­da­ri­scher Ver­ant­wor­tung – auf Lit­ur­gie­fei­ern in Prä­senz ver­zich­ten wür­den, um ande­re nicht in Gefahr zu brin­gen und zu schüt­zen. Und das obwohl die Fei­er der Got­tes­diens­te ihnen zu Recht sehr sehr wich­tig sind. Ich glau­be es wür­de wahr­ge­nom­men, wenn sich Chris­tin­nen und Chris­ten dafür ent­schei­den wür­den, dass ihr dies­jäh­ri­ger Weih­nachts­got­tes­dienst kein lit­ur­gi­scher, son­dern ein dia­ko­ni­scher ist.

An eini­gen Stel­len bricht so etwas schon an. Ob es zum Bei­spiel die Jugend­kir­che ist, die einen kon­takt­lo­sen Weih­nachts­pod­cast bereit­stellt oder die Ein­rich­tung der Offe­nen Jugend­ar­beit, die Essen­stü­ten inklu­si­ve Koch­buch an die Fami­li­en ihrer Besu­cher ver­teilt. Alles für sich klei­ne oder gro­ße Weih­nachts­wun­der! – Aber wie schön wäre es, wenn sich die gro­ßen Kir­chen jetzt gemein­sam mit vol­ler Kraft und Phan­ta­sie auf die­se Fähr­te auf­ma­chen wür­den?! Das wäre sicher auch ein Wag­nis, das ein gute Stan­ge Mut kos­ten wür­de.

Lasst uns froh und mutig sein!

Und was ist mit mir? Wo fan­ge ich an? Ganz kon­kret im Klei­nen? Ich habe mir vor­ge­nom­men in mei­ner Hei­mat­ge­mein­de das Frie­dens­licht von Beth­le­hem kon­takt­los zu Per­so­nen zu brin­gen, die es sich selbst nicht in der Kir­che holen kön­nen oder wegen der Infek­ti­ons­ge­fahr nicht holen wol­len. „Lich­ter­ran­do“ sozu­sa­gen. Das ist sicher nicht viel, wahr­schein­lich sogar viel zu wenig. Aber ein Anfang. Ein Anfang, der es mir in die­sem Jahr mög­lich macht, Weih­nach­ten zu fei­ern.

Foto: Ced­rik Wesche/Uns­plash