Weih­nach­ten? Ein hei­li­ges Fest oder hei­li­ge Schei­ße?

von Gastbeitrag

Weih­nach­ten? Ein hei­li­ges Fest oder hei­li­ge Schei­ße?

von Gastbeitrag

„Wer freut sich denn von Euch nicht auf Weih­nach­ten?“ – Ent­setzt auf­ge­ris­se­ne Augen der Leh­re­rin­nen.

„Ach, du hei­li­ge Schei­ße“, dach­te ich, als mir die­se Fra­ge im Schul­got­tes­dienst letz­te Woche raus­rutsch­te. Darf ich als Mit­ar­bei­te­rin der Kir­che Weih­nach­ten eigent­lich Kacke fin­den und über­haupt die­se Fra­ge stel­len mit dem Risi­ko, dass es tat­säch­lich Kin­der und Jugend­li­che gibt, die sich mel­den und sagen dass sie kei­ne Freu­de emp­fin­den, wenn sie an das Fest der Fes­te den­ken? Mal im Ernst, die­se Fra­ge geis­tert schon seit län­ge­rem in mei­nem Kopf rum. Wenn ich da mit den Schü­le­rin­nen und Schü­lern die Weih­nachts­got­tes­diens­te schmei­ße, muss ich doch vol­ler Begeis­te­rung sein, oder? Aber die­ses gan­ze Vor­ge­gau­ke­le von Frie­de, Freu­de und hei­me­li­ge Fami­lie, das ist doch sowas von rea­li­täts­fern.

Mei­ne eige­ne Nie­der­ge­schla­gen­heit war tat­säch­lich an die Ober­flä­che geschwappt und blub­ber­te aus mei­nem Mund her­aus. Aber die­se Fra­ge brann­te mir tat­säch­lich unter den Fin­ger­nä­geln, in dem gan­zen Tru­del um Frie­de, Geschen­ke und pseu­do­lä­cheln­den Ver­käu­fe­rin­nen. Ich woll­te wis­sen, wie es eigent­lich im Inne­ren der Leu­te aus­sieht und vor allem der jun­gen Gene­ra­ti­on, die kaum noch in „hei­li­ger Fami­lie“ mit Mut­ter, Vater und Kind leben. Was meint ihr, von ca. 100 Schü­le­rin­nen und Schü­lern, wie vie­le freu­en sich nicht auf Weih­nach­ten?

Es waren ca. fünf­zehn Kin­der, die sich mel­de­ten und offen zuga­ben, sich nicht auf Weih­nach­ten zu freu­en. Man­che von ihnen woll­ten nicht sagen, war­um sie sich nicht freu­ten, ande­re gaben Krank­hei­ten und Tod in der Fami­lie als Grund an und dann kam sie, die Ant­wort, die auch mich schon seit Wochen umher­treibt: „Wie kann ich mich über Weih­nach­ten freu­en, wenn in der gan­zen Welt Streit, Krieg und Elend herrscht und es so vie­len Men­schen schlecht geht?“. Stil­le in der Kir­che. Ja, eine gute Fra­ge! Wie kann unse­re Gesell­schaft und damit mei­ne ich auch uns, die wir uns Kir­che nen­nen und mei­nen, vom Grun­de her christ­lich zu sein, wie kön­nen wir also eigent­lich Weih­nach­ten fei­ern? In dem gan­zen Tru­bel um das „Fest der Lie­be“ fehlt mir bei so vie­len Men­schen die Echt­heit. Wo ist denn unser Herz, wo ist unse­re See­le und wo ist die Nächs­ten­lie­be? Drau­ßen vor unse­ren Türen ste­hen tau­sen­de Flücht­lings­fa­mi­li­en, die wie Maria und Josef damals Unter­künf­te suchen. Wie schlecht sie teil­wei­se behan­delt und emp­fan­gen wer­den, kön­nen wir der­zeit in vie­len Medi­en nach­ver­fol­gen. Das Fest der Weih­nacht und die Rea­li­tät ste­hen doch so krass im Gegen­satz zuein­an­der wie schon lan­ge nicht mehr. Und wie kön­nen wir heut­zu­ta­ge noch eine „hei­li­ge Fami­lie“, bestehend aus Vater, Mut­ter und Kind fei­ern? Was machen denn die homo­se­xu­el­len Paa­re oder die Allein­er­zie­hen­den? Sind deren Fami­li­en denn nicht hei­lig?

Gera­de an Weih­nach­ten, das ist sta­tis­tisch bewie­sen, steigt die Rate der Fami­li­en­strei­tig­kei­ten und der Gewalt­be­reit­schaft um Eini­ges. Die Poli­zei schiebt mas­sig Dienst an unse­ren hei­li­gen Tagen, in denen wir in unse­rer geschmück­ten Kir­che sit­zen und die hei­li­ge Weih­nacht fei­ern. Wen wun­dert es da, wenn es tat­säch­lich Kin­der gibt, die nicht auf­zei­gen, wenn ich fra­ge, wer sich denn schon auf Weih­nach­ten freut? Auch ich freue mich die­ses Jahr nicht auf Weih­nach­ten. Mein Vater ist die­ses Jahr nach viel Leid im Alter von 63 Jah­ren gestor­ben. Weih­nach­ten wird auch für mich die­ses Jahr nicht mehr das­sel­be sein, wie in den letz­ten Jah­ren und auch da bin ich, oder ist mei­ne Fami­lie nicht die ein­zi­ge, der das so geht, die die­ses Jahr trau­ernd um den Baum sitzt und jeman­den aus der „hei­li­gen Fami­lie“ ver­lo­ren haben.

Weih­nach­ten, ein hei­li­ges Fest, oder doch nur hei­li­ge Schei­ße? Die rich­ti­ge inne­re Freu­de fehlt jeden­falls bei mir und bei vie­len ande­ren Men­schen auch. Vie­le kön­nen auf Weih­nach­ten ver­zich­ten und sind froh, wenn es rum ist. Ein biss­chen füh­le ich mich, wie so ein Pro­phet und möch­te mich manch­mal echt auf den Markt­platz stel­len und rum­brül­len und fra­gen was abgeht. „Seht ihr all die Men­schen, die die­ses Jahr wie­der allei­ne unter dem Baum hocken wer­den?“, will ich fra­gen. Oder „seht ihr die, die nicht ein­mal ein Dach über dem Kopf haben und drau­ßen frie­ren?“ Weih­nach­ten pas­siert doch im Her­zen und nicht im Super­markt. Die wah­re Weih­nacht ist doch nicht die Ware Weih­nacht.

Natür­lich darf ich bei all dem Frust nicht ver­ges­sen, dass es auch vie­le Men­schen und Orte gibt, wo wirk­lich Weih­nach­ten aus dem Her­zen gefei­ert und viel Gutes auch für ande­re Men­schen getan wird. Wenn ich jedoch so durch die Welt lau­fe, habe ich den Ein­druck, dass das die Aus­nah­men sind und dann wünsch­te ich mir schon, der da oben wür­de bald mal in die Hufe kom­men und sich hier run­ter zu uns beför­dern, bei all dem Elend, was es momen­tan auf die­sem Erd­ball gibt. Immer­hin ist es ja das, was wir Chris­ten glau­ben und wor­auf wir hof­fen, gera­de jetzt in der Advents­zeit! Klar klingt das ziem­lich dra­ma­tisch und ich lebe eigent­lich auch sehr ger­ne hier auf der Erde, aber manch­mal wünsch­te ich, die­ses klei­ne Kind aus der Krip­pe wür­de wie­der­kom­men und uns hier Frie­den brin­gen …

Eine geseg­ne­te Weih­nacht wünsch ich Euch da drau­ßen und wüss­te ger­ne, wie das bei Euch ist. Freut ihr Euch auf Weih­nach­ten und ist die­ses Fest für Euch hei­lig, oder doch nur hei­li­ge Schei­ße?

Rapha­e­la Rein­dorf

Foto: manun / photocase.de