Erlösung
von Mareile Mevihsen
Erlösung
von Mareile Mevihsen
Es war der Erste Hilfe Kasten, von dem ich nicht wusste, dass er in meinem Schrank versteckt ist. Drei Tage Meer. Nur für mich.
Corona brachte die Sache ins Rollen. Alles ist gut, sagte ich mir immer wieder. Die Kinder brauchen jetzt Sicherheit und Struktur und sie brauchen dich. Also schuf ich Struktur und Sicherheit. Jede freie Minute investierte ich ins Home Office. Mehr gab es nicht. Um 21:30 schleppte ich mich aus dem letzten Kinderzimmer in dem Wissen, dass auch die nächste Nacht wieder eine durchwachte sein würde. Alles ist gut, sagte ich. Ich, die normalerweise jeden Tag Menschen um sich hat. Die gewöhnt ist an schnell wechselnde Settings. Die mindestens vier freundschaftliche reale Kontakte in der Woche hat. Aber alles ist gut, sagte ich.
Die Lockerungen von außen kamen. Die in mir nicht.
Es war ein Impuls, eine Schnapsidee, ein Reflex an einem sonnigen Nachmittag. Als mein Hände lustlos nach Unterkünften suchten, vielleicht mal ein Wochenende am Meer zu verbringen. Es war eine Zufallsvorschau. Da war es. Das kleine Bed & Breakfast in dem ich vor Jahren mal gewesen bin. Ich hatte gebucht, bevor ich nachgedacht oder auch nur ansatzweise eine Ahnung hatte, ob ich mir das leisten kann.
Als das Wochenende kam, hätte ich es am Liebsten sausen lassen. Die Kinder alleine lassen, nach all diesen Wochen, gerade als sie in die Normalität zurückgingen. Mit mir sein. Mit all den Entscheidungen, die ich treffen muss.
Ich fuhr. Die letzte Panik kam, als der Verkehr sich im Tunnel leicht staute. Atme, befahl ich mir.
Danach kam die Ruhe. Acht Stunden Schlaf am Stück. Frühstück nur für mich bereitet, wenn ich die knarzige Treppe nach unten stieg. Der Teller voll mit frischen Beeren. Dampfender Kaffee. Wind um meine Nase. Sand in meinem Haar. Wellen an meine Knie schlagend.
Kontrolle abgeben. Endlich loslassen. Mich anvertrauen.
Und plötzlich wissen, dass ich es geschafft habe. Dass die Kraft in mir mich solange gehalten hat, bis ich loslassen konnte. Und die Welle schlug nicht über mir zusammen. Sie trug.
Wieder zuhause. Und jetzt? Da kommt noch soviel. Wie soll ich das schaffen? Wie soll es weitergehen? Ich denke an das Wochenende. Ich kann sie noch spüren, die Wärme in mir. Sie füllt mein Herz aus bis in den letzten Winkel. Das ist nicht vorbei, das beginnt gerade erst.
„Komm mit“, sage ich meinem inneren Kind. Nehme mich selbst an die Hand. „Alles ist gut“. Und das war es auch.
Foto: Ibrahim Rifath/Unsplash