Auf Knopf­druck noch mal Ober­stu­fen­schü­le­rin sein

von Anne Hermanns-Dentges

Auf Knopf­druck noch mal Ober­stu­fen­schü­le­rin sein

von Anne Hermanns-Dentges

In mei­nem Büro, da steht ein Grun­dig Radio­re­cor­der, 455 ste­reo. Die­ses Gerät hat vor Jah­ren mein Büro­vor­gän­ger hin­ter­las­sen. Als ich das Büro damals über­nahm, war ich glück­lich, denn ich konn­te mei­ne alten Musik­kas­set­ten hören.

Das tue ich bis heu­te. Immer mal wie­der.

Heu­te ist es der Moment, an dem ich mich zu wie­der­hol­ten mal über Ver­wal­tungs­struk­tu­ren, Geld und nicht vor­han­de­nen Bud­ges ärger. Das ist mein Blick auf die Din­ge … Ja, nicht nur ärgern tue ich mich, son­dern in die Tisch­kan­te bei­ßen könn­te ich. Wer mich kennt, der weiß, das es sehr lan­ge dau­ert, bis das pas­siert. Aber wenn, dann habe ich einen ech­ten Hals. Und das ist jetzt so ein Moment. Grrr.

Eben in die­sem Moment deck­te ich: „Anne, leg dich in dei­nem Büro­stuhl zurück und drü­cke auf die Play­tas­te. Es lohnt sich nicht. Es gibt grö­ße­res und wich­ti­ge­res als Struk­tu­ren und die Rei­be­rei­en um Geld.“

Der Satz war noch nicht ganz zu Ende gead­acht, da laufern die ers­ten Töne der Kas­set­te „Jack­son Brow­ne Mix“.

Sofort saß ich in geflick­ter Jeans, T‑Shirt, Rover­hals­tuch und nack­ten Füßen auf dem Bei­fah­rer­sitz in einem VW Bus. Mit offe­nem Fens­ter, im Som­mer und voll auf­ge­dreht die­se Kas­set­te. Mit Leich­tig­keit und unbe­schwert in die Zeit. Es muss das Jahr 1992 gewe­sen sein. Mir flie­gen die Bil­der und das Gefühl der Zeit durch den Kopf. Idea­le. Ein Leben in Wah­heit, Frei­heit, Soli­da­ri­tät und christ­li­cher Zuver­sicht. Ein Zeit mit lan­gen Aben­den am Lager­feu­er, im Domi­zil der Pfadfinder*innen und die vie­len Par­tys in den Pfarr­hei­men. Bis zum Mor­gen­grau­en und von da aus, mal eben frisch geduscht und mit Bro­ten ver­sorgt, in den Sams­tags­un­ter­richt in der Schu­le.

Da Klack der Kas­set­te holt mich ins Jetzt. Ober­stu­fen­schü­le­rin bin ich schon lan­ge nicht mehr, scha­de irgend­wie. Nur irgend­wie, denn irgend­wie bin ich immer noch so wie zu Ober­stu­fen­zei­ten. Gera­de habe ich gespürt: Ein Leben in Wahr­heit, Frei­heit, Soli­da­ri­tät und christ­li­cher Zuver­sicht – das lebe ich. Immer.

Ich will mich nicht ver­bie­gen und wei­ter­hin Din­ge in Fra­ge stel­len. So, wie ich immer schon war. Wor­an man Chris­ten und Chris­tin­nen erken­nen kann:eine Hal­tung haben, die den Men­schen dient. Also wer­de ich wei­ter an dem blei­ben, was mich oben geär­gert hat. Ich wäre sonst nicht ich. An der Stel­le: dan­ke an die, Pfadileiter*innen von damals und die Lehrer*innen der Montesso­ri­schu­le in Kre­feld. Es war eine groß­ar­ti­ge und geist-rei­che Zeit! Ver­gelts euch Gott. Dan­ke an den ehe­ma­li­gen Besit­zer die­ses Grun­dig­ge­rä­tes. Es tut bis heu­te gute Diens­te und hat mich heu­te vor Split­tern im Mund ver­schont.

Foto: Glen Car­rie/Uns­plash