Wohl­fühl­mo­men­te

von Ulrike Purrer Guardado

Wohl­fühl­mo­men­te

von Ulrike Purrer Guardado

Zu den abso­lu­ten Wohl­fühl­mo­men­ten gehö­ren für mich die­se trü­ben Tage der Regen­zeit, in denen die Welt ein biss­chen den Atem anhält, weil alle beson­ders lan­ge im Bett blei­ben und das Trop­fen auf dem Dach lau­ter zu hören ist als die Musik der Nach­bar­schaft. Herr­lich fühlt sich das an, wenn auch ich mich dann ein wenig brem­sen las­se und ein­fach nur dem Regen lau­sche.

Vor­aus­set­zung dafür ist aller­dings, dass das Dach kein Leck hat, jeden­falls nicht an den ent­schei­den­den Stel­len wie genau über dem Bett oder Bücher­re­gal. In all den Jah­ren hier in mei­nem Holz­häus­chen gab es dies­bzgl. bes­se­re und schlech­te­re Zei­ten, denn das tropf­freie Dach ist eine Wis­sen­schaft für sich. Jedes Jahr zu Beginn der Regen­zeit stellt sich die span­nen­de Fra­ge, wo es wohl dies­mal her­ein­reg­nen wird. Wäh­rend der tro­cke­nen Mona­te hat die Son­ne uner­bitt­lich auf das Well­blech gebrannt, Kat­zen haben sich auf dem Dach gesonnt, geliebt und wild bekämpft, ein Fuß­ball ist immer wie­der drauf­ge­knallt, und im schlimms­ten Fal­le haben sogar die Nach­barn etwas an ihrem Haus oder Dach ver­än­dert, so dass die aus­ge­tüf­tel­te Alu-Holz-Ver­bin­dung zwi­schen uns kor­ri­giert wer­den muss. Wie gut, dass ich auf bei­den Sei­ten sehr freund­li­che Nach­bars­fa­mi­li­en habe, die immer dar­auf bedacht sind, dass kei­ner der Betei­lig­ten nass wird. Je nach­dem, aus wel­cher Rich­tung der Regen kommt, kann es auch heu­te hier und mor­gen dort hin­ein­trop­fen. Außer­dem lässt der hohe Salz­ge­halt an unse­rer Pazi­fik­küs­te das Well­blech schnel­ler als anders­wo ros­ten, so dass immer wie­der Löcher gestopft wer­den müs­sen. Wie gesagt, es ist eine Wis­sen­schaft, und ich bin inzwi­schen Pro­fi. Den­noch ist die Span­nung jedes Jahr wie­der groß, wie die ers­ten tro­pi­schen Güs­se wohl ver­lau­fen wer­den. Das führt dazu, dass ich zu Beginn der Regen­zeit immer etwas ange­spannt bin und nachts von dem ohren­be­täu­ben­den Trom­meln auf dem Dach aus dem Schlaf geris­sen wer­de. Dann ste­he ich meist kurz auf, um nach­zu­se­hen, ob und wo es tropft, und stel­le ent­spre­chend Eimer und Schlüs­seln auf.

Irgend­wann hat sich dann jedoch alles wie­der ein­ge­spielt, die Rost­lö­cher sind gestopft und die Lücken zum Nach­bar­shaus geschlos­sen, und dann gibt es die­se wun­der­ba­ren Wohl­fühl­mo­men­te wie ges­tern Abend, in denen ich bei erfri­schen­den 25 Grad unter mein Mos­ki­to­netz krie­che und vor dem Ein­schla­fen ein­fach noch eine gute Wei­le dem Regen lau­sche. Wohl wis­send, dass ich der­zeit weder Eimer auf­zu­stel­len noch das Bett zu ver­rü­cken brau­che, kann ich dann den Regen­ge­schich­ten zuhö­ren und es ein­fach genie­ßen. Herr­lich, gemüt­li­cher geht eigent­lich kaum!

Foto: Suhye­on Choi/Uns­plash