Ein Leben in zwei Wel­ten

von Gastbeitrag

Ein Leben in zwei Wel­ten

von Gastbeitrag

Heu­te ging es nach vier Wochen Home Office für mich das ers­te Mal wie­der nach Ber­lin. Wir sind vor guten ein­ein­halb Jah­ren aus NRW ins schö­ne Bran­den­burg gezo­gen. Man­che nen­nen es den „Ber­li­ner Speck­gür­tel“. Wir nen­nen es „Leben, wo ande­re Urlaub machen!“ inmit­ten der schö­nen Havel­län­der Seen­land­schaft. Ich habe die letz­ten Wochen in Bran­den­burg sehr genos­sen und die Panik­ma­che der Medi­en und das gro­ße Reden von „der Kri­se“ gar nicht ver­stan­den und grei­fen kön­nen… irgend­wie war alles wie immer, nur dass blö­der­wei­se die Cafés und Restau­rants nicht mehr zum Ver­wei­len ein­lu­den und die Abstän­de zu ande­ren Men­schen sind grö­ßer waren als sonst … Wir haben viel Zeit drau­ßen ver­bracht, das Wet­ter und die Natur genos­sen. Ruhe, Frie­den, Ein­sam­keit. Coro­na war bis hier­hin für mich Ent­schleu­ni­gung und ja, die Zeit hat­te sogar etwas Gutes! Wir zäh­len zu den Glück­li­chen, die wei­ter­hin 100% arbei­ten dür­fen. Mit dem Shut­down ging es für mich ins Home Office. Gab es die Mit­tags­ver­pfle­gung sonst frisch gekocht aus der betriebs­ei­ge­nen Bio-Küche, hieß es zu Hau­se nun sel­ber kochen. Anfangs leicht genervt, ent­pupp­te sich die Stun­de Mit­tags­pau­se als wah­re Kraft-Oase des Tages. Eigent­lich koche ich ger­ne, bei einem Voll­zeit­job wur­de es über die Jah­re unter der Woche jedoch eher zur läs­ti­gen Not­wen­dig­keit. Auch hier sah ich Coro­na als „Geschenk“. Nach dem Fei­er­abend bin ich oft zum See gelau­fen. Kei­ne drei Minu­ten zu Fuß ent­fernt von unse­rer Woh­nung. Die Ruhe am men­schen­lee­ren Steg mit Blick aufs Was­ser: Bal­sam für die See­le. Trotz allen Ver­än­de­run­gen ver­su­che ich auch jetzt stets das Gute zu sehen, posi­tiv zu blei­ben, das bes­te aus der Situa­ti­on zu machen. Was ich an Coro­na nicht so mag? Dass der Oster­ur­laub in die Hei­mat zu den Schwie­ger­el­tern die­ses Jahr aus­fal­len muss­te und eini­ge Kon­zer­te, auf die wir uns in die­sem Jahr sehr gefreut haben, sind auf unbe­stimm­te Zeit ver­scho­ben. Gele­gent­lich erwi­sche ich mich bei dem Gedan­ken, dass ich es ziem­lich sur­re­al fin­de, dass so ein klei­ner hart­nä­cki­ger Virus die Welt auf den Kopf stellt und lahm­legt. Wie ein Traum, aus dem ich ein­fach nicht auf­wa­chen will … Aber greif­bar war das Aus­maß für mich irgend­wie nicht. In mei­ner klei­nen hei­len Welt.
Heu­te in Ber­lin hat mich die „Kri­se“ ein­ge­holt und eis­kalt erwischt. Ich habe ein Gefühl dafür bekom­men, wor­über die Medi­en berich­ten, was Freun­de aus NRW erzähl­ten. Die Igno­ranz und Rück­sichts­lo­sig­keit der Men­schen, denen ich heu­te begeg­net bin, macht mich fas­sungs­los und wütend zugleich. Und auch füh­le ich mich ohn­mäch­tig und ver­lo­ren. Ich mag die­ses Gefühl nicht, wenn ich kei­ne Kon­trol­le habe. Zum Glück sind es erst ein­mal nur zwei Tage die Woche, die ich ins Büro nach Ber­lin muss. Emo­tio­nal bin ich ziem­lich auf­ge­wühlt und kann die heu­ti­gen Ein­drü­cke gar nicht ein­ord­nen.

Damals bei unse­rer Woh­nungs­su­che habe ich mich in der ers­ten Sekun­de in den Ort, in dem wir jetzt leben, ver­liebt! Und ich bin beson­ders in die­ser Zeit umso glück­li­cher, ihn mein Zuhau­se nen­nen zu dür­fen! Ich bin dank­bar, dass es hier Men­schen gibt, die mir tag­täg­lich bewei­sen, dass Respekt, Rück­sicht und Nächs­ten­lie­be auch in der heu­ti­gen Zeit noch mög­lich sind! Mei­ne Vor­stel­lung von Gott ist, dass er in mei­nen Mit­men­schen zu fin­den ist. Dan­ke, Gott, dass du mir zeigst, dass du auch in die­ser Zeit in mei­ner Nähe bist und mich nicht allei­ne lässt.

Und dann, als ich nach Hau­se kam, war sie da, die­se leuch­ten­de Blü­te mei­nes Hibis­kus. Die mich anstrahlt und ein Licht­blick ist am heu­ti­gen Tag, alles wie­der ein biss­chen bun­ter macht. Hier, in mei­ner klei­nen hei­len Welt.

Text und Foto: Jas­mi­ne Lie­then