Atmen. Und Bewegen.
von Simone Müller
Atmen. Und Bewegen.
von Simone Müller
Heute rasselt es. „Es“ ist in diesem Falle die Decke, die gerade mit ordentlich Schmackes auf meinem Kopf gelandet ist. Völlig unerwartet. Aber dafür gewaltig. Dabei war ich mit dem Hund draußen, habe produktiv im Homeoffice gearbeitet, meinen Tag ordentlichst mit einer kleinen Meditation begonnen, mit meinen Eltern telefoniert, leckeres Brot gefrühstückt — kurz all das gemacht, was clevere Ratgeber*innen gerade so raten. Die Sonne lacht durchs Fenster, die Himbeere auf dem Balkon wuchert dem Frühling entgegen, … eigentlich alles feini. Aber all das hält diese blöde Wohnungsdecke nicht oben. Gnadenlos fällt sie mir aufs Hirn. Lustlos breite ich die Yogamatte aus (soll ja angeblich helfen, #yogaeveryday und so). Turne unmotiviert ein paar Haltungen nach. Sonnengruß A: Berg, ganze Vorbeuge, halbe Vorbeuge, Brett, Cobra, abwärtschauender Hund, halbe Vorbeuge, ganze Vorbeuge, Berg. Und noch einmal: Berg, ganze Vorbeuge, halbe Vorbeuge …
Ein paar Mal geht das noch so. Währenddessen in meinem Hirn: „Keine Lust. Warum soll das denn helfen? Ein Bier in der Lieblingskneipe mit netten Menschen – das will ich. In Urlaub fahren will ich. Nicht mehr auf diese Wohnung begrenzt sein, das will ich, …“ Ratter, ratter, matter. Und von oben die Decke: Rassel, rassel, rassel. Irgendwann, so beim gefühlt zehnten (wahrscheinlich war es der fünfte) Sonnengruß wird es leiser im Hirn. Erstmal ist da noch ein „Puuh, war das schon immer so anstrengend? Warum mach ich das eigentlich?!“ Und langsam, ganz langsam, Atemzug für Atemzug wird auch das leiser. In meinem Kopf wird es leerer, mein Körper atmet und bewegt sich. Mit jedem Einatem eine Bewegung, mit jedem Ausatmen geht es weiter. Ich registriere, je schwieriger die Körperhaltungen, umso mehr muss ich mich darauf konzentrieren, umso weniger Platz ist im Kopf für anderes. Also fordere ich mich ein bisschen, ein paar Minuten nur, aber es wirkt.
Nein, so richtig strahlend glücklich und erleuchtet bin ich danach nicht. Aber es beruhigt mich zu wissen, dass das Gedankenkarussell leiser werden kann. Morgen ist ein neuer Tag.