Hän­ge­mat­ten-Som­mer

von Mareile Mevihsen

Hän­ge­mat­ten-Som­mer

von Mareile Mevihsen

Eigent­lich ist er ja noch gar nicht zu Ende die­ser Som­mer, der gefühlt seit April andau­ert. Die Son­ne ist noch immer warm. Aber der Kalen­der sagt Sep­tem­ber, die Tage wer­den kür­zer, die Näch­te küh­ler und das Laub fällt schon längst wegen der Tro­cken­heit. Ich lie­be den Herbst und bin vol­ler Vor­freu­de dar­auf, aber wie üblich bringt er auch Weh­mut mit sich und die­sen Som­mer ver­ab­schie­de ich wirk­lich inten­siv und bewusst: Nach fast drei­ein­halb Jah­ren geht es für mich zurück in den Beruf.

Es war nie der Plan, so lan­ge raus zu sein bevor es die Jungs gab. Nach einem Jahr wie­der arbei­ten, mach­ten ja alle so. Und dann war die­ses unglaub­li­che Wesen auf der Welt und ich konn­te mir nicht vor­stel­len auch nur einen ein­zi­gen Tag mit ihm zu ver­pas­sen. Und was sich hielt war der Irr­glau­be, dass das beim zwei­ten Kind anders oder leich­ter sein wür­de. Aber das ist es nicht.

So ganz raus bin ich nie gewe­sen, mal ein Semi­nar hier oder eine Schu­lung da alle paar Wochen. Und trotz­dem war ich vor allem eines: Mut­ter. Nicht mal Haus­frau. Ich war, da waren wir uns einig, zuhau­se, um für unse­re Kin­der da zu sein. Jetzt endet die­se Zeit, gefühlt immer noch zu früh, weil da noch ein Klei­ner ist, den ich zumin­dest noch bis zum Kin­der­gar­ten gern beglei­ten wür­de. Aber, so ist das lei­der auch, das kön­nen wir uns ein­fach nicht leis­ten.

Die­ser nie enden­de Som­mer war für mich Frei­heit. Der ers­te Som­mer seit vier Jah­ren, in dem kein Baby oder kei­ne Schwan­ger­schaft mich ein­schränk­te, der ers­te nach dem Ein­stieg in den Beruf, in dem ich völ­lig frei war. Der Som­mer waren wir drei und der Hund. Natür­lich lag ich nie wirk­lich län­ger als fünf Minu­ten am Stück in der Hän­ge­mat­te, weil dann garan­tiert einer von euch brüll­te oder sich fröh­lich auf mich drauf warf oder sonst irgend­et­was pas­sier­te. Aber in mei­ner Erin­ne­rung lag ich da und sah euch beim Spie­len zu. Ich spü­re noch den Sand zwi­schen den Füßen, nach Tagen am Rhein oder am Meer, wenn ihr schmut­zig, aber glück­lich ein­schlieft, manch­mal schon im Fahr­rad. Mit wie viel Glück es mich erfüll­te, eure Hän­de in mei­nen zu hal­ten.

In den letz­ten drei Jah­ren durf­te ich so viel ler­nen. Über Lie­be, vor allen Din­gen. Über bedin­gungs­lo­se Lie­be, die mir ermög­lich­te anzu­kom­men. In mei­ner alten Hei­mat, die sich zum ers­ten Mal wirk­lich so anfühl­te. In mei­nem Kör­per, end­lich, nach all den Jah­ren; vor allen Din­gen aber ist ein Teil von mir ange­kom­men in mei­ner See­le, mei­nem Ich, mei­nem Selbst.

Ich habe noch nie so wenig Geld beses­sen, selbst mein Taschen­geld frü­her hat mir mehr ermög­licht. Und wir haben gemerkt, wie unglaub­lich vie­le tol­le Men­schen in unse­rem Netz­werk sind, die das mit­ge­tra­gen haben. Von denen, die immer den Kaf­fee aus­wärts zahl­ten bis zu denen, die uns hohe Geld­be­trä­ge lie­hen, wenn es mal wie­der gar nicht ging.

Ich habe mehr Freun­de gefun­den, als je zuvor in mei­nem Leben in so kur­zer Zeit. Und in den Bezie­hun­gen zu neu­en, aber auch noch inten­si­ver zu den alten Freun­den einen Reich­tum gefun­den, den kein Geld der Welt auf­wiegt.

Ich habe noch nie so wenig geschla­fen, so wenig Frei-Zeit gehabt und soviel gear­bei­tet. Und war noch nie aus­ge­gli­che­ner, muti­ger und fröh­li­cher als in die­ser Zeit. Ich weiß, dass ihr Kin­der euch nicht erin­nern wer­det, wenn ihr groß seid, an die­sen Som­mer. Aber viel­leicht erin­nert ihr euch an ein Gefühl, wenn ihr zurück­denkt. An Frei­heit. An Wär­me. An Nähe. Ich wün­sche euch das.

Ihr seid ein Geschenk an mich, in all eurer Unter­schied­lich­keit und Ein­zig­ar­tig­keit. Euch zu erle­ben und nicht an einen schöp­fen­den Gott zu glau­ben, ist mir nicht mög­lich. Und auch nicht euch los­zu­las­sen, wenn es nicht die Hoff­nung gäbe, dass eure Schrit­te behü­tet sein wer­den, wenn ich sie nicht mehr zäh­le.

Ich neh­me jetzt Abschied von der bis­her bes­ten Zeit mei­nes Lebens. Mit leuch­ten­den Augen auf das, was noch kom­men mag.

Foto: Ange­li­na Kichuko­va/Uns­plash