Oster­pre­digt

von Matthias Fritz

Oster­pre­digt

von Matthias Fritz

Mei­ne Oster­pre­digt habe ich in die­sem Jahr nicht gehört – die habe ich gele­sen. Nadia Bolz-Weber, evan­ge­lisch-luthe­ri­sche Pas­to­rin in Den­ver (USA), hat ein beein­dru­cken­des Buch über ihre Arbeit geschrie­ben: „Ich fin­de Gott in den Din­gen, die mich wütend machen.“ Und dort erzählt sie von ihrer Oster­pre­digt unter „Aus­ge­sto­ße­nen“, für die sie eine Kir­che gegrün­det hat:

„Jesus sah an Ostern nicht sehr beein­dru­ckend aus“, sag­te ich, „jeden­falls nicht im kirch­li­chen Sin­ne. Das mer­ken wir schon dar­an, dass Maria aus Mag­da­la ihn für einen Gärt­ner hielt.“

Ich schau­te die zit­tern­de Men­schen­men­ge an und füg­te hin­zu, viel­leicht hät­te Maria den auf­er­stan­de­nen Chris­tus des­halb für den Gärt­ner gehal­ten, weil Jesus noch die Erde aus sei­nem eige­nen Grab unter den Fin­ger­nä­geln hat­te. Auf den Kir­chen­bil­dern des auf­er­stan­de­nen Chris­tus ist natür­lich nie Dreck unter den Fin­ger­nä­geln zu sehen. Dort sieht er eher aus wie ein Engel ohne Flü­gel als wie ein Gärt­ner. Es ist, als hät­te man ihn für die Oster­gäs­te erst ein­mal her­aus­put­zen müs­sen, damit er mehr Ein­druck macht und nie­mand an der Wahr­heit Anstoß neh­men muss. Doch das führt am Ende nur dazu, dass wir uns eine ver­dreh­te Vor­stel­lung davon machen, wie Auf­er­ste­hung aus­sieht. Mei­ne Erfah­rung dage­gen ist, dass der Gott von Ostern ein Gott mit Dreck unter den Fin­ger­nä­geln ist.

Auf­er­ste­hung fühlt sich nie so an, als wür­de man hübsch sau­ber und fromm her­aus­ge­putzt wie auf jenen Oster­bil­dern. Ich wäre nie bereit gewe­sen, für Gott zu arbei­ten, wenn ich geglaubt hät­te, Gott wäre dar­an inter­es­siert, mich nett oder hübsch oder auch nur gut zu machen. Schon damals hat­te ich unbe­wusst begrif­fen, dass es Gott nie dar­um ging, mich schick her­aus­zu­put­zen. Er woll­te mich neu machen.

Neu sieht nicht immer per­fekt aus. Neu ist oft chao­tisch, wie die Oster­ge­schich­te selbst. Neu sieht aus wie Alko­ho­li­ker auf Ent­zug. Neu sieht aus wie Ver­söh­nung zwi­schen Fami­li­en­mit­glie­der, die es eigent­lich nicht ver­die­nen. Neu sieht aus wie jedes Mal, wenn ich es schaf­fe zuzu­ge­ben, dass ich mich irre, und jedes Mal, wenn ich es schaf­fe, nicht zu erwäh­nen, dass ich recht habe. Neu sieht aus wie jeder Neu­an­fang und jeder Akt der Ver­ge­bung und jeder Moment, indem wir etwas los­las­sen, wovon wir glaub­ten, nicht ohne es leben zu kön­nen, und dann doch irgend­wie ohne es leben. Neu ist das, was wir nie kom­men sahen – was wir uns nicht ein­mal erhofft haben -, was sich aber dann doch als genau das ent­puppt, was wir schon immer brauch­ten.

„Das pas­siert uns allen“, schloss ich an jenem Oster­mor­gen. „Gott greift immer wie­der hin­un­ter in den Dreck des Mensch­seins und lässt uns auf­er­ste­hen aus den Grä­bern, die wir uns selbst durch unse­re Gewalt­tä­tig­keit, unse­re Lügen, unse­re Selbst­sucht, unse­re Arro­ganz und unse­re Süch­te gegra­ben haben. Und immer wie­der liebt Gott uns zurück ins Leben.“

(Nadia Bolz-Weber, „Ich fin­de Gott in den Din­gen, die mich wütend machen“. Pas­to­rin der Aus­ge­sto­ße­nen, Moers 2015, 218f.)

In die­sem Sin­ne allen Leser*innen von raumrauschen.de fro­he und geseg­ne­te Ostern und „mach uns neu, Gott!“

Foto: gabri­el Jime­nez/Uns­plash