Für Toni
von Mareile Mevihsen
Für Toni
von Mareile Mevihsen
Alles sollte anders werden beim zweiten Kind. Früher, schneller, einfacher. Aber all meine ausgefuchsten Pläne scheiterten. Und als dieses Kind endlich auf der Welt war, da hätte alles gut sein sollen. Aber das war es nicht.
Baby Nummer Zwei schrie sobald es auf der Welt war. Nach den ersten zwölf Stunden war ich innerlich bereits so irritiert, dass ich an meinen Fähigkeiten als Mutter zweifelte, aber das sagte ich natürlich keinem. Nach zehn Tagen stand ich verzweifelt beim Osteopathen. Diagnose: Blockaden in der Wirbelsäule durch die Geburt. Folge: permanentes Schreien im Wachzustand.
Man liest ja viel und hört viel über schreiende Babys. Aber kein Mensch kann sich vorstellen, was das wirklich heißt, wenn da jemand den ganzen Tag brüllt, weil er Schmerzen hat. Die ganze Grundstimmung kippt und irgendwann geht es nur noch darum zu überleben. Schlafpausen bieten keine Erholung, weil sie permanentes Luft anhalten sind. Bloß nichts riskieren, bloß nicht das Baby wecken. Mit der eigenen Wut und Verzweiflung nebenbei hantieren und sie gleichzeitig dem Partner vorwerfen. Und dann ist da ja schon ein Kind, das auch noch Bedürfnisse hat und einfordert. Ich weiß nicht mal ob der Hund jeden Tag dreimal draußen war. Ich funktionierte. Aber ich lebte nicht mehr. Mein sorgsam geflicktes Inneres begann zu zerreißen und meine Ehe begann zu kippen.
Mit neun Wochen Methodenwechsel. Chiropraktiker, drei Minuten Behandlung. Das ist acht Tage her. Seitdem ist Ruhe, am ersten Tag danach weckte er mich zufrieden glucksend. Es ist eine vorsichtige Stille, die seitdem bei uns wohnt. Ein Herantasten an eine Normalität. Meine Seele ist immer noch auf Anspannung. Ich wünschte jetzt wäre alles gut, aber das ist es noch nicht.
Vielleicht gibt es Schmerz im Leben eines anderen, den wir kaum aushalten können, der uns handlungsunfähig macht, für den wir keine Worte haben. Vielleicht braucht es das nicht.
Vielleicht braucht es den einen, der uns dann im Arm hält, wenn wir nicht aufhören können zu weinen. Vielleicht reicht es, seine Nähe zu spüren, wenn der Schmerz uns lähmt. Vielleicht erreicht uns seine Stimme, auch wenn wir nicht antworten können.
Ich will dir dieser Mensch für den Rest meines Lebens sein, wann immer ich darf. Und wenn meine Arme schwer werden, vielleicht ist da dann einer, der dich hält, wo ich es nicht kann.
Inzwischen lächelst du, wann immer du mich siehst. Dein Lachen wird Menschen berühren, Berge versetzen und vielleicht eines Tages die Welt verändern. Vergiss das nie. Halt dich fest daran.