Stau­nen

von Matthias Fritz

Stau­nen

von Matthias Fritz

Es krib­belt. Über­all. Irgend­wie kommt ein Gefühl von Sehn­sucht auf. Vielleicht,weil ich vie­le Jah­re im Som­mer am Meer war. Der Bus rollt auf den Hafen zu und ich sehe: das Meer. Mit den ers­ten Schrit­ten Rich­tung Anle­ger kom­men die Erin­ne­run­gen wie­der. Wir sind Meer­ur­lau­ber, Muschel­samm­ler, Strand­spa­zie­rer, In-die-Wel­len-Gucker in unse­rer Fami­lie. Stun­den­lang kann ich am Meer sit­zen und auf die Wel­len star­ren – wie sie sich am Land bre­chen, wie es schäumt. Im Hin­ter­grund grau­er Him­mel, gro­ße Con­tai­ner­schif­fe zie­hen vor­bei. Sand fliegt mir ins Gesicht und es knirscht zwi­schen den Zäh­nen. Er rie­selt schon aus mei­nen Haa­ren.

Nor­ma­ler­wei­se sit­ze ich hier und schaue raus aufs Meer und bin Gott ganz nah. Weil ich mich klein füh­le vor die­ser Gewalt. Er, der Gro­ße, und ich, der Klei­ne. Heu­te ist es anders. Da sind nicht nur ich und er. Da sind mehr. Was, wenn wir bei­de in die­sem Moment in einer Ver­bin­dung mit allen sind, die uns hier umge­ben? Nicht nur die Men­schen. Jedes Sand­korn, jeder Trop­fen im Meer, die Möwe über mir und die Men­schen dort hin­ten auf dem Con­tai­ner­schiff, die Muschel im Sand? Was, wenn wir gera­de alle mit­ein­an­der im Kon­takt sind und jeder mei­ner Atem­zü­ge auch die ande­ren bewegt? Dies­mal ist die Ver­bun­den­heit grö­ßer als nur er und ich. Es ist anders – und es fühlt sich gut an. Dies­mal bin ich nicht klein vor der Grö­ße Got­tes. Dies­mal bin ich Teil von der Grö­ße, die er mit allen ande­ren teilt. Dies­mal stau­ne ich wie­der – nur anders.