Herr, gib mir Geduld – aber flott!

von Matthias Fritz

Herr, gib mir Geduld – aber flott!

von Matthias Fritz

Der letz­te vol­le Tag mei­ner Exer­zi­ti­en. Ich bin voll drin im Rhyth­mus. Schwei­gen, medi­tie­ren, spa­zie­ren, beten, sin­gen, Stil­le hal­ten.

In die­sem Schwung woll­te ich heu­te zur Ves­per gehen und dann das! Eine gan­ze Rei­se­grup­pe war mit dabei. Erst stau­te es sich vor der Kir­che und dann auch noch im Schne­cken­tem­po. Die Rei­se­grup­pe war im Durch­schnitts­al­ter gute 75 Jah­re alt und schon etwas schwer­fäl­lig. Also muss­te ich mich mit ihnen im Gän­se­marsch in die Kapel­le schie­ben und sag­te denen in mei­nem Umkreis, dass sie ger­ne ein Heft für die Ves­per mit­neh­men kön­nen. Mich schau­ten gro­ße Augen an.

Also habe ich einen Platz ange­steu­ert und auf den Beginn des Gebe­tes gewar­tet. Aber es war wie im Zoo.

„Hier ist kein Platz mehr!“
„Hubert, hier her!“
„Wo fängt man denn in dem Heft an?“
„Ne, watt für eine schö­ne Kir­che!“

Zudem kam – ich nen­ne ihn mal Karl-Heinz – Karl-Heinz kau­end in die Kir­che rein. Und schmat­zend. Wahr­schein­lich die letz­te Stul­le, die für die­sen Aus­flugs­tag geschmiert wor­den ist und vor der Heim­fahrt noch weg muss. Hin­ter mir die Dame sag­te noch: „Super, das mit den klei­nen Bänk­chen auf dem Boden. Da bleibt die Hand­ta­sche so schön sau­er.“ Sie mein­te das Knie­bänk­chen. Hin­ter mir räus­per­te sich jemand und die Schwei­zer Kräu­ter­bon­bons wur­den geräusch­voll aus­ge­packt.

Him­mel Herr, ich woll­te doch nur in Ruhe beten.

Erna, die Dame rechts von mir („Guten Abend, ich bin die Erna!“ – so stell­te sie sich mir sehr freund­lich vor) ver­such­te ich gera­de in das Buch für die Ves­per ein­zu­wei­sen. Ich war dabei schon aus mei­nem schö­nen Exer­zi­ti­en­rhyth­mus wie­der raus. Nur die Schwes­tern im Chor­raum behiel­ten noch ihre Geduld.

Schlag 18 Uhr – es ging los. Die Äbtis­sin eröff­net – heu­te mal auf Latein. Ein Rau­nen, ein Mur­meln, ein Flüs­tern setzt ein. Eine Mischung aus „Wie frü­her“, „Ne, nicht wirk­lich…!“ und „Was hat sie gesagt?“

Beim ers­ten „Ehre sei dem Vater..:“ habe ich Erna dann wohl etwas aus der Fas­sung gebracht. Hier bei den Schwes­tern ist es üblich, sich dabei zu ver­nei­gen. Da Erna aber nur mei­nen Kopf nach vor­ne schnel­len sah, frag­te sie ver­wun­dert. „Haben Sie was ver­lo­ren? Eine Kon­takt­lin­se?“. Ich mur­mel­te ein „Nein“ und ver­such­te dabei streng zu klin­gen.

Herr, gib mir Geduld – aber flott!

Doch dann wur­de es ruhig. Ein paar Schu­he scharr­ten noch unru­hig über den Boden und eini­ge ver­such­ten in die Melo­die der Psal­men mit ein­zu­stei­gen. Ich fand dann auch zur Ruhe.

Jetzt sind sie weg. Die alten Damen und Her­ren der Rei­se­grup­pe, die mei­ne Exer­zi­ti­en­in­sel für einen kur­zen Moment zum Zoo gemacht haben. Und es ist ruhig. Exer­zi­ti­en­ru­he. Aber ab mor­gen gibt es wie­der die Rea­li­tät. Im Tru­bel des All­tags. Und ich den­ke mir: Dan­ke Herr, dass du mir heu­te einen Vor­ge­schmack auf die ande­re Rea­li­tät geschenkt hast. Eine bes­se­re Vor­be­rei­tung hät­te es nicht geben kön­nen. :-)