Spie­ßer­tum adé

von Gastbeitrag

Spie­ßer­tum adé

von Gastbeitrag

Letz­te Woche Mitt­woch, spä­te­rer Nach­mit­tag. Ich tip­pe die Tele­fon­num­mer ein, die ich mir auf einem klei­nen Blatt Papier notiert habe. War­ten. Es wählt, die Lei­tung ist frei. War­ten. Dann ein Knack­sen.

Auf der ande­ren Sei­te des Appa­ra­tes mel­det sich jemand, der heu­te offen­bar mit dem fal­schen Fuß auf­ge­stan­den ist. Ich grü­ße herz­lich zurück und stel­le mich mit Vor- und Zuna­men vor. War­te zwei Sekun­den auf eine Reak­ti­on. Nichts. Ach­so stimmt, ich spre­che ja mit Deutsch­land.

Mein Ostern, Ostern 2016 in Sim­bab­we, ver­lief in die­sem Jahr lei­der nicht ganz so glanz­voll wie erhofft. Auf­grund eines Infek­tes lan­de­te ich für fünf Tage im Kran­ken­haus. Die Ärz­te hal­fen und schrie­ben mir eine Rech­nung, die es nun bei dir Aus­lands­kran­ken­ver­si­che­rung ein­zu­rei­chen galt. Und weil man vor­ab natür­lich nie damit rech­net, dass man ein­mal krank wird, woll­te ich am Tele­fon kurz prü­fen, ob ich alles rich­tig ver­stan­den habe. Damit mei­ne Unter­la­gen voll­stän­dig von Sim­bab­we aus an die kor­rek­te Adres­se in Deutsch­land gehen.

In Sim­bab­we wäre es üblich gewe­sen, auf die­se Begrü­ßung von mir am Tele­fon zu reagie­ren. Ob mit einer zustim­men­den Bemer­kung oder einer Fra­ge nach mei­nem Befin­den. Der Kun­den­ser­vice mei­ner Aus­lands­kran­ken­ver­si­che­rung hält das nicht für nötig. Dabei impli­ziert das Wort Ser­vice doch, dass man sich um sei­nen Kun­den sorgt.

Der wei­te­re Ver­lauf des Gesprächs war schließ­lich so vor­her­seh­bar wie ernüch­ternd. Ich muss­te mir Vor­wür­fe gefal­len las­sen, weil ich es im Eifer des Gefechts ver­säumt hat­te, mei­ne Ver­si­che­rungs­num­mer ins Kran­ken­haus mit­zu­neh­men. Oder weil ich gefäl­ligst sofort die Leis­tungs-Abtei­lung hät­te anru­fen sol­len. Irgend­wie bekam ich das Gefühl, so ziem­lich alles falsch gemacht zu haben, was nur mög­lich ist. Fast fühl­te ich mich dazu genö­tigt, mich für mei­ne Krank­heit zu ent­schul­di­gen.

Nach dem Auf­le­gen mach­te sich in mir ein Gefühl von Ernüch­te­rung breit. Nicht, dass ich mich per­sön­lich ange­grif­fen fühl­te, nicht, dass ich ver­letzt war. Nur: Ein der­art küh­les, distan­zier­tes und unhöf­li­ches Gespräch habe ich in den letz­ten Mona­ten in Sim­bab­we nie geführt. Es kam mir vor als hät­te ich es ver­ges­sen, dass Men­schen auch unhöf­lich sein kön­nen.

Unmit­tel­bar danach kam mir der Satz eines ehe­ma­li­gen Afri­ka-Frei­wil­li­gen in den Sinn, mit dem ich vor mei­ner Aus­rei­se gespro­chen hat­te. „Als ich nach Deutsch­land zurück­ge­kehrt war, hat mich die­se omni­prä­sen­te Spie­ßig­keit mit Abstand am meis­ten gestört.“ Dann war mir alles klar.

Natür­lich gibt es sie auch in Deutsch­land, die­se onkel­haf­ten Typen, die nett und so ziem­lich das Gegen­teil eines Spie­ßers sind. Was bei uns aber eine bestimm­te Art von Mensch ist, ist in Sim­bab­we der Stan­dard-Cha­rak­ter. Seit ich in Sim­bab­we lebe, ärge­re ich mich so sel­ten wie nie zuvor in mei­nem Leben. Die Gelas­sen­heit und posi­ti­ve Art vie­ler Men­schen hat gewis­ser­ma­ßen auf mich abge­färbt.

Eigent­lich tun sie mir ja leid, die­se Spie­ßer unter uns. Woher sol­len sie denn wis­sen, wie schön ein gelas­se­nes und posi­tiv-den­ken­des Leben ist, wenn sie es offen­bar nie erlebt haben? Wenn man in einem spie­ßi­gen Umfeld lebt, droht man schließ­lich selbst, in eine Abwärts­spi­ra­le der Spie­ßig­keit zu gelan­gen. Und am Ende womög­lich viel spie­ßi­ger zu sein, als man es je von sich erwar­tet hät­te. In die­sem Moment tat mir Mrs. Aus­lands­kran­ken­ver­si­che­rung irgend­wie leid. Und ich muss­te erleich­tert lachen.

Weil mein eige­ner Gedan­ken­gang in die­ser Sache irgend­wie gar nicht mehr so spie­ßig war.

David Grze­schik

Foto: kal­le­jipp / photocase.de